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Vors.: Bismarck war doch ein schlechter Menschenkenner, wie der Angeklagte selbst zugab. – Oberstaatsanwalt: Nach dem, was hier in der Beweisaufnahme festgestellt ist, kann also von einer erotisch betonten Freundschaft nicht die Rede sein? – Dr. Moll: Nein. – Geheimrat Prof. Dr. Eulenburg: Ich kann mich den beiden Vorgutachtern unbedenklich anschließen. Ich habe keine Spur von irgendeiner homosexuellen Veranlagung, Empfinden oder Betätigung bei dem Grafen Moltke erkennen können. Eine unbewußte Homosexualität kann ich überhaupt nicht zugeben. Auch ich kann den Satz „quevis hysterica mendax“ nicht als richtig ansehen. Es gibt ja hysterische verlogene Personen, die aber schon vorher verlogen waren. Eine Hysterische lügt niemals, sie sagt aber auch niemals die Wahrheit, diese beiden Begriffe kennt sie eben nicht. Die Möglichkeit, von Hysterischen getäuscht zu werden, ist außerordentlich groß, auch mir ist das oft passiert. Niemand ist vor solcher Täuschung sicher, am wenigsten ein Laie. Ich kenne Harden seit langen Jahren, ich würde ihm bei jeder Art seines Vorgehens niemals unlautere Motive zutrauen. – Graf Moltke: Ich möchte, um alle Mißverständnisse zu beseitigen, noch einmal die mysteriöse Taschentuchaffäre erörtern. In der Schöffengerichtsverhandlung wurde eidlich ausgesagt, diese Szene sei aus dem Nebenzimmer beobachtet worden von Frau v. Elbe und ihrem Sohn. Hier ist es schon nicht mehr ganz so zweifelsfrei gelassen worden. Ich möchte diesen Gegensatz nur konstatieren. Ich hatte wochenlang nicht in persönlichem Verkehr mit dem Eulenburgschen Hause gestanden, nur um Szenen zu vermeiden. Als ich das Taschentuch fand, wollte ich einen gewissen Fühler kurz vor dem Zusammenbruch unserer ganzen Ehe ausstrecken, um zu sehen, ob das eine Brandfackel bilden oder harmlos hingenommen würde. – Es wurde hierauf Dr. med. Magnus Hirschfeld vernommen: Ich habe mein Gutachten vor dem Schöffengericht über den jetzigen Herrn Nebenkläger – in der Hauptsache – auf die