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als ich sah, wie Frau v. Kruse bei den Einkäufen bei Gerson die armen Modistinnen behandelte und quälte. Bei der Zentenarfeier 1897 zeigte sich ihre Launenhaftigkeit auch darin, daß sie mich und Gräfin Perponcher ignorierte, weil wir Billetts zum Weißen Saal erhalten hatten und sie nicht. Dann waren wir auf Peterwitz im Schloß der Gräfin Pourtalès. Dort machte sie meinem Bruder erregte Szenen, man hörte das Schreien bis auf den Schloßplatz. Als dann die unglückselige Nordlandreise kam, an der Graf Moltke teilnehmen sollte, wollte Frau v. Kruse meinen Bruder von der Teilnahme an dieser Reise abhalten. Vor der Reise gab es eine furchtbare Szene. Frau v. Kruse forderte meinen Bruder auf, mit ihr im Garten spazieren zu gehen. Er kam nach zwanzig Minuten zurück, bleich und aufgeregt. Er bat meinen Sohn, den Grafen Danckelmann, doch einmal im Garten zu suchen, die arme Lilly sei ganz verzweifelt wegen der Nordlandreise. Nach langem vergeblichen Suchen kam die Gräfin schreiend auf Graf Danckelmann zu, klammerte sich an seinen Arm und sagte: „Rette mich vor ihm, dein Vater ist mir erschienen!“ Als sie ins Schloß zurückgekehrt war, hörten wir sie noch oben schreien. Ich ging in mein Zimmer und sah wie mein Bruder sie um die Taille gefaßt hatte und zu beruhigen versuchte. Sie riß sich los und warf sich gegen die Schlafstubentür mit Kopf und Rücken. Ich verbat mir solche Szenen und legte die Gräfin ins Bett. Am andern Tage zeigte sie mir lächelnd ein Billett des Grafen Kuno v. Moltke und sagte dabei: „Dies Billett hat mir der gute Kuno geschickt.“ Ich sagte darauf: „Ja, er ist eben zu gut.“ Sie meinte dann, sie bedauere nun doch nicht, damals das Telegramm nach Wien geschickt zu haben. Vom Fürsten Eulenburg erhielt ich dann einen Brief, in dem es hieß: „Ich kann Dir nicht sagen, wie ich unter dem Geschick Kunos leide. Ich habe keine Ruhe und zerbreche mir Tag und Nacht den Kopf, wie das zu Ende gebracht werden könnte, denn das muß es, wenn wir den Kuno nicht zugrunde gehen lassen wollen.