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– Es erhoben sich über die Frage, ob der Zeuge zur Ablehnung einer Antwort auf diese ihm unterbreitete Frage berechtigt sei, kurze Erörterungen. Der Oberstaatsanwalt erklärte: Es sei ja bedauerlich, daß man diesen hochinteressanten und hochwesentlichen Punkt nicht wird aufklären können, aber man müsse doch nach Lage der Sache darauf verzichten. Er habe aber noch viele andere Zeugen zur Hand, um die Frau Gräfin zu kennzeichnen. Der Oberstaatsanwalt fragte den Zeugen nochmals ausdrücklich, ob die Frau Gräfin eine hochgradig hysterische Person sei. – Dr. Frey: Er könne bestimmt bekunden, daß er bei der früheren Gräfin Moltke eine außerordentliche hysterische Veranlagung für dargetan erachte. Die Frau Gräfin habe eine hohe Intelligenz, eine tiefe Geistesbildung, ein hohes ethisches Empfinden, gepaart mit seltener Vorurteilslosigkeit. Damit stehe ihre Handlungsweise in einem so diametralen Gegensatz, daß schon aus diesem Grunde das Vorliegen von Hysterie wahrscheinlich sei. Dazu haben sich ganz bestimmte Stigmata der Hysterie gesellt, daß nach seiner Ansicht die Gräfin für viele ihrer Handlungen und Aussprüche nicht verantwortlich gemacht werden könne, da die Phantasie dabei hervorragend mitspiele. Infolge der Hysterie könne von solchen Leidenden manches in dem Bilde vollster Wahrhaftigkeit erzählt werden und sie reden sich manches ein, was sie schließlich selbst glauben und was andere Leute ihnen gleichfalls glauben. Alle Angriffe der Gräfin auf den Grafen Moltke beruhen nach seiner Ansicht auf Phantasie, wenn sie auch selbst die Angaben für begründet halte. – Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Heißt es nicht in der Medizin Quaevis hysterica mendax? (Jede Hysterische ist lügenhaft.) – Dr. Frey: Jawohl! – Auf weitere Fragen bekundete der Zeuge noch: die Gräfin sei von einer großen Launenhaftigkeit gewesen, zeigte einen hochgradigen Wechsel ihrer Gefühle, sie war gewissermaßen „himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt.“ Sie habe chronische Zuckungen