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zwischen dem Vorsitzenden und dem Angeklagten eine lange Auseinandersetzung über die Frage, ob Harden dem Grafen Moltke den Vorwurf der Homosexualität im Sinne des Paragraphen 175 hat machen wollen. Der Vorsitzende verwies auf den letzten Artikel und auf den Brief Hardens an den Klosterprobst v. Moltke, in denen der Angeklagte selbst zugegeben habe, daß er den Grafen Moltke normwidriger Gefühlsregungen beschuldigt habe. Normwidrig sei aber doch dasselbe, was jeder gewöhnliche Mensch als homosexuell versteht. Die meisten Leser hätten das so aufgefaßt, und die Artikel hatten doch auch den Zweck gehabt, den Fürsten Eulenburg und seine Freunde mit einem Makel zu behaften, um sie aus ihrer politischen Stellung zu verdrängen. Wenn mit dem Vorwurf der Normwidrigkeit der Eulenburg-Gruppe nicht der Makel der Homosexualität angehängt werden sollte, dann hatten die Artikel doch ihren Zweck verfehlt. – Harden: Ich kann mich in meiner Zeitschrift nicht auf den Standpunkt stellen von Menschen, die gar nichts von solchen Dingen gehört haben. Wenn ich, „normwidrig“ schreibe, so kann ich nicht darauf Rücksicht nehmen, was der oder jener sich darunter denkt. Ich habe dieses Wort aber gar nicht geschrieben, es ist etwas anderes, wenn ich das Wort später anwandte, um meine Artikel zu interpretieren. Meine Artikel waren längst erschienen, da ist das Ereignis am Hofe eingetreten, die Forderung des Privatklägers zum Zweikampf, und dann kam eine Reihe von Zeitungsartikeln, in denen das Hundertfache von dem behauptet wurde, was ich geschrieben hatte. Darauf mußte ich antworten. Ich habe damals schon erklärt, daß ich von alledem, was aus meinen Artikeln herausgelesen wurde, nichts geschrieben habe. – Der Vorsitzende wies immer wieder darauf hin, der Angeklagte hatte sich als Menschenkenner doch sagen müssen, daß andere Leute eine andere Deutung aus den Artikeln herauslesen mußten. Der Angeklagte erwiderte, daß eine solche Auffassung erst nach den von ihm ganz unabhängigen