Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 3 (1911).djvu/262

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

strafbare Betätigung der Homosexualität an den Tag gelegt. Es ist lediglich als festgestellt erachtet: er ist homosexuell und hat diesen Trieb andern gegenüber nicht unterdrücken können. Es erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die politischen Ausführungen des Angeklagten. Diese sollten nur nachweisen, daß er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe. Es liegt eine strafbare Handlung nach Paragraph 186 (üble Nachrede) nicht vor, ebensowenig ist Paragraph 185 (einfache Beleidigung) anwendbar, da aus der Form die beleidigende Absicht nicht zu schließen ist. Das Urteil lautet dahin: Der Angeklagte ist der fortgesetzten Beleidigung nicht schuldig, er wird freigesprochen, die Kosten des Verfahrens werden dem Privatkläger Grafen von Moltke, auferlegt. – Das Urteil wurde von einem Teile des Publikums mit stürmischen Hochrufen begrüßt. Gegen dieses Urteil legte der Privatkläger Berufung ein. Inzwischen nahm die Staatsanwaltschaft des Landgerichts Berlin I die Sache in die Hand. Am 19. Dezember 1907 gelangte der Prozeß in der Berufungsinstanz und zwar vor der vierten Strafkammer des Landgerichts Berlin I zur Verhandlung. Den Gerichtshof bildeten Landgerichtsdirektor Lehmann (Vorsitzender) und die Landgerichtsräte Dr. Fritzschen, Gohr, Simonson und Gerichtsassessor Dr. Langes (Beisitzer). Die Anklage vertraten Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel und Staatsanwalt Raasch. Der Privatkläger, bisheriger Stadtkommandant von Berlin und Generalleutnant z. D., Exzellenz Graf Kuno v. Moltke, schloß sich der nunmehr von der Staatsanwaltschaft erhobenen An- klage als Nebenkläger an. Mit seiner juristischen Vertretung hatte er Justizrat Dr. Sello (Berlin) betraut. Die Verteidigung führten Justizrat Bernstein (München) und Justizrat Kleinholz (Berlin). Als Sachverständige waren geladen: Gerichtsarzt, Medizinalrat Dr. Hoffmann, Geh. Sanitätsrat Dr. Zwingenberg, Geh. Medizinalrat Professor Dr. Eulenburg, Sanitätsrat Dr. Moll, Dr. med. Magnus Hirschfeld