Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 3 (1911).djvu/259

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Seite auch wieder von dem „Grüppchen“, dem er jedes Privatvergnügen gönne, Es kommt die Nummer vom 30. April 1907. Das Gericht hält hier nicht für nachgewiesen, daß der von dem Angeklagten gebrauchte Ausdruck, den ihm vom Privatkläger untergelegten beleidigenden Sinn haben, sondern nur eine normwidrige Annäherung an Männer angedeutet werden sollte. Ausgeschieden sind sämtliche anderen Artikel. Da ist das bekannte Nachtgespräch des „Süßen“ mit dem „Harfner“. Der Privatkläger hat selbst angegeben, daß er zunächst nicht gewußt habe, wer mit dem „Süßen“ gemeint sei. Zum Tatbestand der Beleidigung gehört aber nach einem Reichsgerichtsurteil, daß mindestens eine für den Beleidigten verständliche Andeutung bei der Beleidigung vorhanden ist. Die auf diesen Artikel gestützte Anklage aus § 185 (Beleidigung), muß also fallen. Ausgeschieden hat das Gericht die Artikel vom 2. Februar und vom 6. April 1907. In dem ersten Artikel ist überhaupt nicht zu ersehen, wo eine Beleidigung stecken soll. Im zweiten Artikel ist nur von Lecomte die Rede, und es ist nicht ersichtlich, wodurch hier der Privatkläger beleidigt sein soll. Nun kommt der letzte Artikel vom 20. April, wo von der „vita sexualis“ die Rede ist. Dies ist aber nur eine Anspielung auf den Fürsten Eulenburg. Was hat der Angeklagte in den vier Artikeln behauptet? Offenbar behauptet er damit: Der Kläger hat ein anormales Sexualempfinden, er ist homosexuell! An sich mag diese Behauptung noch nicht beleidigend sein, aber andererseits wird doch damit weiter behauptet, dieser Trieb wäre seinen Freunden gegenüber erkennbar. Der Privatkläger habe also diesen Trieb nicht unterdrückt. Für die Frage, ob diese Behauptung geeignet ist, den Kläger verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, hat das Gericht die Ansicht vertreten, daß hier tatsächlich eine Herabwürdigung vorliegt. Denn von einem Manne in der Stellung des Privatklägers erwartet man, solange das Gesetz den § 175 kennt, also die Homosexualität,