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Hauptverhandlung behauptet hat. Es kommt also zunächst der Artikel vom 27. September 1906 in Frage. Da sagt der Angeklagte: „Zwei Ästheten von sehr verschiedener Sinnesrichtung“ mit Bezug auf den Privatkläger und einen Hohenzollernprinzen. Der Angeklagte deutet das so, daß der eine dem weiblichen Geschlecht sehr zugeneigt sei, während der Privatkläger dem weiblichen Geschlecht abgeneigt sei. Das Gericht ist aber der Ansicht, daß der Ausdruck „Sinnesrichtung“ gegen diese Auslegung spricht, denn daraus ist zu entnehmen, daß das Sinnesempfinden des Privatklägers eine bestimmte Richtung gehabt hat, und daß, wenn auch selbstverständlich eine Abneigung gegen das weibliche Geschlecht vorlag, diese auch mit einer Zuneigung zum männlichen Geschlecht verbunden war. Es wird dem Kläger also der Vorwurf gemacht, er sei sexuell anormal. Dann kommt der zweite Artikel vom 17. November 1906. Es heißt darin: „Lauter gute Menschen, musikalisch, poetisch, spiritistisch, so fromm, daß sie vom Gebet mehr Heilwirkung erhoffen, als von dem weisesten Arzt. Das alles wäre ihre Privatangelegenheit, wenn sie nicht zur Umgebung des Kaisers gehörten.“ Hier wird die erwähnte Freundschaftlichkeit offenbar zum Vorwurf gemacht, denn der Angeklagte selbst sagt, er ließe diese Freundschaftlichkeit als Privatangelegenheit gelten, aber da er, der Privatkläger, sich in politische Dinge mischt, müsse er diese Privatangelegenheit zur Sprache bringen. Es muß also eine Freundschaft sein, die von der Norm abweicht. Faßt man die beiden ersten Artikel zusammen, so wird man daraus den Schluß ziehen, daß der Angeklagte dem Privatkläger Homosexualität vorwirft. In der Nummer vom 8. Dezember ist derselbe Gedankengang enthalten. Hier heißt es: „Ich würde es mir dreimal überlegen, ehe ich von einem Manne behaupte, er unterhalte intime Beziehungen zu Eulenburg.“ Daß er dies dem Kläger vorwirft, geht aus einem vorhergehenden Satze hervor. Hier ist die Behauptung der Homosexualität noch deutlicher. Er spricht auf der andern