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bemerkt. Wenn dann plötzlich diese zur Kenntnis gelangt, hört man häufig, das hätte niemand geglaubt, daß er auch „so“ ist. – Justizrat Dr. v. Gordon: Würden Sie Ihre Ansicht ändern, wenn ich Ihnen sage, daß der Herr Graf Moltke in Breslau längere Zeit vor seiner Heirat ein weibliches „Verhältnis“ hatte? – Dr. Hirschfeld: Nein, das ändert nichts an meinem Gutachten. In Anknüpfung an das Gutachten des Dr. Hirschfeld entwickelte sich eine sehr lebhafte Erörterung über die einzelnen Schattierungen und Nuancen, die auf dem großen Gebiete der Homosexuakität zu beobachten seien. Es beteiligten sich daran die beiden juristischen Sachwalter, der Angeklagte und der Sachverständige Dr. Magnus Hirschfeld. Diese mehr wissenschaftlichen Ausführungen nahmen längere Zeit in Anspruch. Es wurde unter anderem davon gesprochen, daß es nicht ausschließt, daß Homosexuelle sich auch verheiraten, zumal sie mehrfach von ihrer Umgebung zur Verheiratung gedrängt werden, so daß alsdann zu dem Unglück ihrer anormalen Veranlagung auch noch das Faktum einer unglücklichen Ehe trete, daß viele Homosexuelle ihre Neigungen kaschieren. – Graf v. Moltke: Mein Freundschaftsverhältnis zum Fürsten zu Eulenburg ist ein durchaus reines und männliches. Es befestigte sich, als ich in München mit ihm zusammen kam und er mich in Künstlerkreise einführte, in Kreise, wo Lenbach, Kaulbach usw. verkehrten, wo es geistig hoch herging und wo man viele Anregungen empfing. Diese Freude über den Verkehr mit einem geistig anregenden Manne hat sich in unserem schriftlichen Verkehr ausgedrückt. – Verteidiger Justizrat Bernstein: Der Sachverständige hat sich ebenso wie Dr. Moll und andere selbst über Homosexualität in der „Zukunft‘“ geäußert und kennt doch wohl den Standpunkt des Angeklagten zu dieser Frage. Trauen Sie ihm zu, daß er jemand nur wegen seiner homosexuellen Neigungen in seiner Zeitschrift angreifen wird? – Sachverständiger Dr. Hirschfeld: Nein! Bei der weiteren Erörterung