Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 3 (1911).djvu/215

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

nicht häufiger ist, als zu irgendeiner früheren Zeit, die in höheren Ständen nicht öfter vorkommt, als in irgendeinem andern, und die in Deutschland nicht verbreiteter ist, als in den Vaterländern Raymond Lecomtes und Oskar Wildes, daß diese Homosexualität ebenso im Plane der Natur und Schöpfung liegt, wie die normale Liebe. Möge einst auch von diesem Prozeß gesagt werden können: „Ex tenebris lux“. – Um die Soldaten vor dem Mißbrauch der Dienstgewalt zu schützen, bedarf es nicht des auf gänzlich falschen Voraussetzungen beruhenden § 175, der schon mehr als genug Menschenopfer gefordert hat!“ – Vorsitzender Amtsrichter Dr. Kern: Herr Sachverständiger, gibt es nicht verschiedene Arten von Homosexualität? Wir wollen nicht von den schlimmen Arten sprechen, die gestern hier zur Sprache gekommen sind, sondern von den weit harmloseren. Würden Sie zum Beispiel darin, daß jemand das Taschentuch seines Freundes zärtlich an den Mund drückt, eine Betätigung einer homosexuellen Veranlagung erblicken? – Dr. Magnus Hirschfeld: Es kommt darauf an, wenn man in einer Betätigung der Homosexualität lediglich sexuelle Handlungen erblickt, so würde ich in der Handlung mit dem Taschentuch keine Betätigung erblicken. Trotzdem könnte man auch hierin im engeren Sinne einen homosexuellen Akt erblicken. Ich persönlich halte dies nur als ein Zeichen der Innigkeit des seelischen Empfindens. – Vors.: Gibt es auch Homosexuelle, die allein darin schon ihre Befriedigung finden, daß sie sich in den Kreisen homosexuell veranlagter Männer bewegen? – Dr. Hirschfeld: Vielen gewährt dies allerdings eine rein äußerliche Befriedigung. Ich bin jedoch zu der Überzeugung gekommen, daß die übrigen hier genannten Herren des Kreises es vielleicht verstanden haben, ihre Neigungen zu verbergen. Gerade ein Homosexueller ist immer gewillt, seine Neigung zu kaschieren. Es kommt häufig vor, daß ein homosexuell veranlagter Mann sich so bewegt, daß seine nächste Umgebung nichts von seiner Veranlagung