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Frauen ist kein hinreichendes Argument. Ich erblicke in dem vorliegenden Fall die ganze furchtbare Tragik der Ehe eines Homosexuellen, wie ich sie schon häufig zu sehen Gelegenheit hatte, hier aber besonders dadurch kompliziert, daß sie mit einer 26jährigen Frau geschlossen wurde, die vorher 8 Jahre mit einem normalsexuellen Mann verheiratet war und offenbar, da sie den Herrn Kläger außerordentlich stark liebte, infolge mangelnder sexueller Befriedigung in einen hochgradig nervös gereizten Exaltationszustand verfiel. Ich möchte daran erinnern, daß das Wort Hysterie von hysteron (Uterus) abzuleiten ist, ein Zusammenhang, der neuerdings wieder von Professor Freund-Wien als ausschlaggebend betont wurde. Sollten die starken Worte des Kontrainstinkts, welche der Herr Kläger für die sexuelle Betätigung ohne seelische Liebe angewendet hat, so gefallen sein, wie sie hier zur Sprache kamen, so würden sie etwa den Ausdrücken entsprechen, wie sie der Normale gegenüber homosexuellen Beziehungen anwendet, und dadurch verständlich werden. Was nun das Verhalten des Herrn Grafen männlichen Personen gegenüber betrifft, so ist dies als ein ungewöhnlich schwärmerisches und gefühlvolles zu bezeichnen. Als besonders von der Norm abweichend erscheinen mir die Ausdrücke wie: „Mir sind meine Freunde die Nächsten“, „Wenn es nur bei meinen Freunden schön ist“, ferner die Anreden „Mein Alles, meine geliebte Seele“, sowie die Taschentuchepisode und die Szene am heiligen Abend. Wenn Herr Graf von Moltke diesen Zeugenaussagen gegenüber hervorhebt, daß er doch aus der Verehrung für seine Freunde kein Hehl gemacht habe, weil sein Gewissen rein und seine Freundschaft edel gewesen sei, so kann ich ihm hierin vollkommen beistimmen. Die homosexuelle Liebe kann ebenso rein sein, wie die normale, und es liegt hier in dem betreffenden Falle nichts vor, was für das Gegenteil spricht. Als der Herr Graf hier ausrief: „Meine Freundschaft ist klar und rein wie die Sonne“, erinnerte mich dies an eine Stelle aus einem