Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 3 (1911).djvu/20

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

allein liebe, vollen Glauben schenkte, willfahrte sogleich den Bitten der Gräfin. Welcher Mann wäre wohl auch imstande gewesen, der schönen Gräfin eine Bitte abzuschlagen, wenn er obendrein sofort mit heißen Küssen von dem allerliebsten Rosenmündchen belohnt wurde? Das Testament und die Versicherung wurden derartig abgeschlossen, daß die Gräfin das Geld bei einem etwaigen Ableben des Grafen noch im Brautstande sofort anstandslos ausgezahlt erhalten sollte. Nachdem diese Verträge geschlossen waren, sann das dämonische Weib darüber nach, in welcher Weise der Graf am schnellsten und unauffälligsten – beseitigt werden könnte. Sie beriet sich zunächst mit Prilukow. Dieser erklärte sich mit dem teuflischen Plan einverstanden. Wohl war dieser ehemalige Moskauer Rechtsanwalt von Stufe zu Stufe gesunken. Er hatte Ehre, Glück, Frau und Kinder diesem weiblichen Dämon geopfert. Er wußte, er könne sich die Liebe dieser Frau nur erhalten, wenn er ihr vollständig gehorsam war. Allein – einen ihm fremden Mann zu „beseitigen“, seine Hände mit – Blut zu besudeln, diese Zumutung wies der ehemalige Rechtsanwalt mit Entschiedenheit zurück. Ein Fünkchen Ehre war ihm doch noch geblieben. Vor dem schrecklichsten Verbrechen, dem Morde, schreckte er doch zurück. Dann muß die Sache ein anderer besorgen, sagte sich die Gräfin. Wer war wohl leichter zur Ausführung eines Mordes zu bestimmen als der junge Naumow. Dieser leistete ihr längst in allen Dingen geradezu sklavischen Gehorsam. Ein Augenaufschlag der Gräfin, und Naumow war zu allem bereit. Aber ohne weiteres, so meinte Prilukow, wird sich Naumow nicht dazu entschließen, einen Mord zu begehen. Das leuchtete auch schließlich der Gräfin ein, zumal Graf Komarowski der gute Freund Naumows war. Die Gräfin und Prilukow veranlaßten die Absendung folgenden Telegramms: „Ihr Naumow ist ein Nichtsnutz. Es tut mir leid um meine guten Absichten. Sie sind auch nicht viel wert. Komarowski.“ Dieses an die Gräfin adressierte Telegramm

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/20&oldid=- (Version vom 25.12.2022)