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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

und Schönheit. Er war außerdem ungemein geistreich, von stattlichem Wuchs und prächtigem Körperbau. Sein Augenaufschlag mußte jedes Mädchenherz gefangen nehmen. Das schöne schwarze, wellenförmige Haar, der wundervolle Mund, der ein kerngesundes, lückenloses Gebiß schneeweißer Zähne barg, und das künstlerisch geformte Engelsgesicht, diese Eigenschaften verfehlten auf die schöne Gräfin ihre Wirkung nicht. Der modernen Sirene gelang es selbstverständlich, den bezaubernd schönen Jüngling sofort nicht nur in ihre Netze zu locken, sondern auch, sich ihn vollständig dienstbar zu machen. Naumow gestand der Gräfin schon nach wenigen Stunden, daß er Neigungen huldige, denen der bekannte französische Marquis de Sade bereits Ende des achtzehnten Jahrhunderts gefröhnt hatte. Er bat sie, ihn mit einer Zigarette auf den entblößten Arm zu brennen. Er erzählte, daß er bereits seit seinem 16. Lebensjahre mit Frauen verkehre, er könne aber nur solche Frauen aufrichtig und dauernd lieben, die seinen eigentümlichen Neigungen gerecht werden. Er liebe es, gepeinigt zu werden. Die Gräfin, die in den hübschen jungen Mann bis über die Ohren verliebt war, denn er war ein Adonis vom Scheitel bis zur Zehe, verstand es, wie keine zweite, den Jüngling in einer Weise an sich zu fesseln, daß sie ihn geradezu sklavisch zu beherrschen vermochte. Naumow besaß aber trotz alledem keineswegs allein das Herz der schönen Gräfin, obwohl er felsenfest davon überzeugt war. Wie bereits erwähnt, war die Gräfin die „glückliche“ Braut des reichen Grafen Komarowski. Sie hatte sich mit ihm verlobt, nachdem er sich bereit erklärt hatte, sie zur Universalerbin seines unermeßlichen Vermögens zu machen und mit einer Lebensversicherungsgesellschaft einen Vertrag abzuschließen, wonach bei seinem Ableben ihr sofort die Versicherungssumme von einer Million Rubel zufallen solle. Graf Komarowski, der in die bezaubernd schöne Gräfin sterblich verliebt war und ihren Versicherungen, daß sie ihn

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/19&oldid=- (Version vom 25.12.2022)