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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

Familie Prilukow geschehen. Rechtsanwalt Prilukow war nicht nur der juristische Beistand der Gräfin, er wurde auch sofort ihr Liebhaber. Was scherte die Gräfin Fleiß, Ehre, Familienglück? Solche Dinge zu zerstören, war ja gerade ihr Fall. Es dauerte nur wenige Tage und Rechtsanwalt Prilukow lag vollständig im Banne der schönen Gräfin. Er vergaß Frau und Kinder, vernachlässigte seine Praxis und lebte mit der Gräfin in Saus und Braus. Als dem Rechtsanwalt zu dem kostspieligen Leben die Gelder ausgingen und auch die Geldquellen seiner Angebeteten nicht mehr genügend reichlich flossen, vergriff er sich an den ihm anvertrauten Klientengeldern. Er wurde deshalb bestraft und mit Schimpf und Schande aus dem Rechtsanwaltsstande ausgeschlossen. Das war das eigentliche Ziel der Gräfin, denn nunmehr konnte sie den jungen, geistreichen Rechtsanwalt vollständig in ihre Netze ziehen. Fortan war er der ihrige. Was kümmerte sie es, daß Frau und Kinder des Rechtsanwaltes hungerten. Inzwischen hatte die schöne Gräfin den unermeßlich reichen Rittergutsbesitzer Grafen Komarowski kennen gelernt. Selbstverständlich hatte sie das Herz des Grafen Komarowski im Sturm erobert. Ein Blick, ein Augenaufschlag der bezaubernden Schönheit genügte, um jedes Männerherz zu entflammen, ja in Raserei zu versetzen. Das Schicksal fügte es, daß dem reichen Grafen nach einiger Zeit die Frau starb. Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei, dachte der zum Witwer gewordene Graf. Er bot der geschiedenen Gräfin die Hand zum Ehebunde. Die Gräfin schlug ein. Der große Reichtum Komarowskis lockte. Die Ehe konnte ihrer Liebe ja keine Grenzen ziehen. Graf Komarowski hielt in seiner Einfalt die Liebesbeteuerungen und Liebesbezeugungen seiner entzückend schönen Braut für echt. Während Graf Komarowski mit seiner Braut in Orel bei Kiew weilte, trug er kein Bedenken, der Gräfin den 22jährigen Studenten Naumow vorzustellen. Dieser, am 23. September 1884 als Sohn eines russischen Gouverneurs geboren, war ebenfalls von seltener Anmut

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/18&oldid=- (Version vom 25.12.2022)