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175 die Homosexualität weiter um sich greifen würde, widerspricht jeder wissenschaftlichen Feststellung. Keinem Heterosexuellen wird es nach Aufhebung der Strafbestimmung auch nur im entferntesten in den Sinn kommen, homosexuell zu werden. Nach Aufhebung der Strafbestimmung wird es auch nicht einen einzigen Homosexuellen mehr geben als jetzt. Dem Erpressertum, das unser ganzes gesellschaftliches Leben auf ärgste gefährdet, würde aber der Garaus gemacht werden. Der Einwand, daß alsdann die gesellschaftliche Ächtung noch bliebe, mithin auch das Erpressertum weiter wuchern würde, ist hinfällig. Selbstverständlich wird es in der heutigen Gesellschaftsordnung nicht gelingen, das Erpressertum aus der Welt zu schaffen, es würde ihm aber dadurch der Lebensnerv unterbunden werden; darin dürfte mir jeder erfahrene Kriminalist zustimmen. Ich habe bereits erwähnt, daß die Homosexualität in allen Gesellschaftskreisen an- zutreffen ist. Es dürfte erinnerlich sein, daß vor einigen Jahren ein Königlicher Kammerherr, der in unserem Königshause eine sehr hervorragende Stellung bekleidete und den Vorzug hatte, vom Kaiser mit dem Vornamen angeredet zu werden, im Prinzessinnen-Palais in Berlin Teekränzchen veranstaltete, an der mehrere Prinzen des königlichen Hauses, die dem Monarchen verwandtschaftlich sehr nahe stehen, aber außerdem mehrere deutsche Fürstlichkeiten teilgenommen haben. Bei diesen Teekränzchen, so lauteten damals (Anfang Juni 1908) die bisher unwidersprochenen Zeitungsberichte) sollen in homosexueller Weise Dinge vorgekommen sein, die den Grundsätzen der Moral nicht entsprochen haben. Ein Prinz des Königlichen Hauses wurde vor einigen Jahren an einem schönen Sommerabend im Berliner Tiergarten wegen dringenden Verdachts der Homosexualität verhaftet. Als auf der Polizeiwache seine Persönlichkeit festgestellt war, wurde Königliche Hoheit selbstverständlich sofort entlassen. Es wurde ihm von allerhöchster Seite der Rat erteilt, auf einige Zeit ins Ausland zu gehen. Der bekannte