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seiner freien Willensbestimmung gehandelt hat, wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt. Er war aber genötigt, um seine Verabschiedung einzukommen, die ihm auch ohne Pensionskürzung sofort gewährt wurde. Ich könnte noch eine große Anzahl derartiger Fälle anführen, ich befürchte aber, mich dadurch zu weit von meinem Thema zu entfernen. Ich will nur noch bemerken, daß nicht bloß in Berlin, sondern in allen Großstädten fast täglich Prozesse gegen Erpresser stattfinden, aus denen zu entnehmen ist, daß die Erpresser sich selbst nicht scheuen, gegen regierende Fürsten, hohe geistliche Würdenträger usw. mit Drohungen vorzugehen. Dank dem energischen Vorgehen des verstorbenen Polizeidirektors v. Meerscheidt-Hüllessem, sowie des Kriminalpolizeiinspektors Walter, v. Tresckow I und des Kriminalkommissars Dr. Kopp und nicht zuletzt, dank der energischen Bestrafung durch die Gerichte in allen deutschen Städten, ist es gelungen, das Erpressertum einigermaßen einzudämmen. Vor einiger Zeit brachte das bekannte Witzblatt „Ulk“ einen Dialog von zwei Berliner Kaschemmenbrüdern. „Du Aujust,“ sagte der eine, „wat meenst du bloß dazu, sie wollen den Paragraph 175 aufheben.“ „Det wäre ja noch schöner,“ versetzte der andere, „von wat sollte denn dann unser eener Mittelstand leben?“ Es gewinnt in der Tat den Anschein, als sei der aus dem Mittelalter stammende Paragraph 175 lediglich im Interesse der schurkischen Verleumder und Erpresser in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Denn daß durch eine noch so harte Bestrafung die Homosexualität aus der Welt geschafft oder auch nur vermindert werden wird, dürfte kaum ein vernünftiger Arzt oder Jurist ernsthaft behaupten. Die Legende, daß bloß abgelebte Greise sich durch Verführung der Jugend homosexuell zu betätigen suchen, ist durch die Wirklichkeit längst widerlegt. Viele Gerichtsverhandlungen haben ergeben, daß es eine große Anzahl ganz junger Leute gibt, die homosexuell veranlagt sind. Der Einwand, daß nach Aufhebung des Paragraphen