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kämen in seine Sprechstunde, um ihn zu konsultieren, was gegen die homosexuellen Neigungen ihrer erwachsenen Söhne zu unternehmen sei. Eine Reihe von Staaten haben den gesetzgeberischen Kampf gegen die Homosexualität längst aufgegeben. In Frankreich, Italien, Belgien, Holland, in einigen Schweizer Kantonen, in Spanien und Portugal ist die homosexuelle Betätigung straflos. Trotzdem habe ich z. B. in Holland, Belgien und Frankreich von homosexuellem Treiben, wenigstens äußerlich, nichts wahrgenommen. Vor Erscheinen des Norddeutschen, späteren deutschen Strafgesetzbuches (1869) war die homosexuelle Betätigung selbst in einigen deutschen Ländern wie Hannover und Hessen straflos. 1869 hat sich die Medizinischwissenschaftliche Deputation, bekanntlich die oberste Medizinalbehörde Preußens, gegen die Bestrafung der homosexuellen Betätigung ausgesprochen. Der Paragraph 175 wäre wohl auch nicht in das Strafgesetzbuch gekommen, wenn damals nicht der bekannte Prozeß gegen den Maler und Leutnant a. D. Alexander v. Zastrow das Berliner Stadtschwurgericht beschäftigt hätte. v. Zastrow war beschuldigt, den achtjährigen Knaben Emil Handtke in einer Weise mißbraucht zu haben, daß ihn die Geschworenen des versuchten Mordes und der widernatürlichen Unzucht, begangen an einem Knaben, schuldig sprachen. v. Zastrow, der auch im Verdacht stand, in der Nacht vom 25. zum 26. Febr. 1867 auf dem Grützmacher den 15jährigen Bäckerlehrling Corny geschändet und ermordet zu haben, wurde zu 15 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht verurteilt. Diese Verhandlung erregte in der ganzen Kulturwelt ein ungeheures Aufsehen und rief geradezu einen Sturm der Entrüstung hervor. In dem Vorentwurf zu dem neuen deutschen Strafgesetzbuch wird vorgeschlagen, auch die Homosexualität zwischen Frauen zu bestrafen. Beiläufig sei bemerkt, daß die Homosexualität unter den Frauen noch bedeutend mehr verbreitet sein soll, als unter den Männern.