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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

gestern und in Ewigkeit. Soeben wird meine Zelle aufgeschlossen und mir das Mittagessen gebracht. Es ist doch traurig, daß man einen Offiziersaspiranten einsperrt‚ der doch nur seine Pflicht getan hat. Weshalb legt man an meine Zelle drei Schlösser? Ich werde doch nicht entfliehen. Ich werde mit vollem Freimut vor meine Richter treten und meine Freisprechung fordern. Sollte ich dennoch gar zu Zuchthaus verurteilt werden, dann habe ich allerdings den Namen meiner Familie geschändet, aber Gott der Allmächtige wird uns vor diesem Schrecklichen bewahren. Das Essen, das ich im Gefängnis bekomme, ist ganz gut. Meine Mitgefangenen sehen mit Neid auf mein Essen, ich möchte ihnen gern etwas davon geben, es ist aber verboten. Ich werde, wenn ich wieder aus dem Gefängnis komme, Nichtraucher und Abstinent werden. Inmitten eines Briefes heißt es: Soeben höre ich das Klingeln der Straßenbahn. Letztere fährt an meinem Fenster vorüber. Ich glaube, ein Mädchen sitzt in der Straßenbahn, das ich sehr lieb habe, aber leider nicht heiraten kann. Ich habe dies auch dem Mädchen gesagt.“ – Während der Verlesung einiger Stellen aus den Briefen an seine Mutter weinte der Angeklagte und schluchzte einige Male heftig. – Hierauf wurde der Student des Bergfachs Ewald Lütscher als Zeuge aufgerufen. Dieser schilderte den Vorfall in ähnlicher Weise wie der Angeklagte. Sie seien, als sie am Abend des Ostersonnabends von Rüttenscheid nach Essen kamen, zunächst in das Aschinger-Lokal gegangen. Dort haben sie mit einem Kellner Streit bekommen und seien deshalb aus dem Lokal gewiesen worden. Sie beschlossen darauf, in das Müllersche Lokal zu gehen. Unteroffizier Schröder blieb bei einem Mädchen stehen, er sei deshalb mit Hartmann, der sehr angetrunken war, allein zu Müller gegangen. Kaum seien sie in den Hausflur getreten gewesen, da sei der ihm bekannte Fähnrich Hüssener ihnen gefolgt und habe Hartmann aufgefordert, ihm zur Wache zu folgen. Er habe, da Hartmann zunächst zögerte, diesem zugeredet, dem Befehle seines Vorgesetzten

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/103&oldid=- (Version vom 1.8.2018)