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Sachv.: Solche Täuschungen kommen auch bei ganz normalen Personen vor. In vielen Fällen handelt es sich nicht um Halluzinationen, sondern um Illusionen, indem man z. B. einen Vorhang für eine Gestalt ansieht. – R.-A. Dr. Schwindt: Sie nehmen alsdann wohl an, daß es reiner Zufall ist, wenn die Beschreibungen, die Frau Rothe von manchen Personen gegeben, richtig waren? Sachv.: Jawohl. – Vert.: Hat Ihre Wissenschaft sich schon mit dem Spiritismus beschäftigt? Sachv.: Jawohl. – Vert.: Dann ist es doch merkwürdig, daß diese Probleme und Apporte wissenschaftlich noch nicht widerlegt worden sind? Sachv.: Man müßte ja alsdann unsre ganze Jahrtausende alte wissenschaftliche Erfahrung, die ganze wissenschaftliche Feststellung von dem Wesen der Materie über den Haufen werfen. Die Beweislast liegt auf der anderen Seite. Es muß ein ganz strikter und objektiver Beweis geführt werden, der nicht von der Beobachtungsfähigkeit des einzelnen abhängig ist. – Vert.: Wie ist es aber wohl zu erklären, daß die Angeklagte so viele Blumen aus ihrem Kleide praktiziert haben soll? Sachv.: Es gibt viele Möglichkeiten, ich weiß nicht, weshalb ich mir den Kopf über Möglichkeiten zerbrechen soll. – Sachv. Oberarzt Dr. Henneberg: Aus meinen mit der Angeklagten in der Charité gemachten Erfahrungen muß ich bemerken, daß die Angeklagte ganz diffuse Beschreibungen von Personen gab und daß alsdann unter der Mitwirkung der betreffenden Zuschauer selbst aus deren unbewußten Zwischenbemerkungen ihre Bemerkungen immer spezieller und eingehender wurden. – Vors.: Ist das, was wir von Hellseherei gehört haben, eine pathologische Erscheinung? Sachv.: Es ist eine pathologische Erscheinung, die aber nicht als Geisteskrankheit aufzufassen ist. – Zeuge Gerling: Impresario Jentsch habe es verstanden, Familienmitglieder auszuhorchen. Die von ihm ausgehorchten Dinge wurden dann später von Frau Rothe vorgebracht. In einer Sitzung habe man ihr eine Falle gestellt; sie sei direkt auf falsche Angaben hineingefallen. – Sachv. Prof.