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an: Es gibt die verschiedensten Grade der Trance, ebenso wie bei der Hypnose und im Schlaf. Bei der Rothe schien in der Charité nur eine leichte Einschränkung des Bewußtseins bei dem Trancezustand vorzuliegen, so daß sie ganz genau sah, was um sie herum vorging. Andererseits ist sie zweifellos eine abnorm veranlagte, hysterische Person, die leicht in Antihypnose verfällt. Sie hat aber diesen Zustand vollständig in der Hand. Das geht schon daraus hervor, daß sie niemals Trancereden auf der Straße gehalten hat. Sie ist auch immer zur rechten Zeit wieder aus dem Trancezustand herausgekommen. Es handelt sich also bei ihr nicht um tiefgreifende Anfälle von Bewußtseinstrübung, sondern nur um eine kleine Einschränkung des Bewußtseins. Ebenso wie es Leute gibt, die schlafen können, wann sie wollen, so kann sie auch nach Belieben in Trance verfallen. Es ist dabei zu erwägen, daß sie durch die vielen Vorstellungen eine gewisse Übung hatte. Ein abnormer Geisteszustand ist es aber trotzdem. Wenn wirklich echter Trancezustand vorläge, würde die Anwendbarkeit des § 51 des Str.-G.-B. gegeben sein. – Vors.: Wie stellen Sie sich zu der Frage des Hellsehens? Sachv.: Es handelt sich dabei um Gesichtshalluzinationen und wenn Klopftöne gehört werden, um solche akustischer Natur, wie sie beim Vorhandensein absonderlicher Stimmungen, namentlich aber bei solchen Zuständen der Gedankenkonzentration, in denen sich die Teilnehmer spiritistischer Sitzungen zu befinden pflegen, vorkommen. Zahlreiche abnorm veranlagte Personen haben Halluzinationen, ohne anstaltsbedürftig zu sein. – Vert. R.-A. Dr. Schwindt: Wenn die Angeklagte nach der Ansicht des Sachverständigen in der Lage ist, nach Belieben in einen Trancezustand zu verfallen, so ist es doch wunderbar, warum sie nicht einmal dazu übergeht, dies hier ad oculos zu demonstrieren? Dr. Henneberg: Ebenso wie sie es in der Charité gekonnt, könnte sie es auch hier, wenn sie glaubte, daß es opportun wäre. – Vert. R.-A. Dr. Schwindt: Nun, das wäre doch ganz sicher opportun;