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Experiment mit Hickel vollständig widerlegt ist. Es darf nun auch nicht außer acht gelassen werden, daß schon am Sonnabend vor dem Morde die Bandentür mehrfach von Unbefugten geöffnet worden war, und daß es dem Rittmeister, der darüber sehr aufgeregt war, nicht gelang, die Leute festzustellen. Für Hickel lag doch aber auch nicht der geringste Beweggrund zu einer solch furchtbaren Tat vor. Da der Beweis gegen Marten auf keinerlei Weise geführt ist, so kann doch der Umstand, daß Hickel der Schwager Martens ist, nicht als Beweggrund gelten. Der Umstand, daß Hickel ein paarmal vom Rittmeister getadelt worden ist, weil er ihn beim Reiten nicht angesehen habe, kann doch auch nicht als Beweggrund angeführt werden. Es ist absolut nicht anzunehmen, daß Hickel, der seit einigen Monaten in glücklichster Ehe lebte, dessen Frau sich im hochschwangeren Zustande befand, ein Mann, der 10 Jahre gedient und bereits Anspruch auf den Zivilversorgungsschein besaß, sich seinem Schwager zuliebe zu einer so furchtbaren Tat entschlossen haben soll. Angesichts des Umstandes, daß es durchaus nicht zu verkennen ist, daß Spuren von Tätern nach einer ganz anderen Seite hinlaufen, erwarte ich mit voller Zuversicht, daß der hohe Gerichtshof den Hickel freisprechen wird. – Verhandlungsführer: Hickel, Sie haben das letzte Wort. Hickel: Ich kann nur noch einmal versichern, daß ich vollständig unschuldig bin und mit Sicherheit meine Freisprechung erwarte. – Verteidiger Rechtsanwalt Burchard bemerkte: Es sei nicht angängig, Hickel freizusprechen und Marten zu verurteilen. Wenn der Gerichtshof Hickel für schuldlos halte, dann müsse auch Marten freigesprochen werden, denn es sei alsdann nicht der leiseste Beweis erbracht, wer Marten Hilfe geleistet haben soll. – Der Gerichtshof beriet nur etwa 1¼ Stunden. Der Verhandlungsführer, Oberkriegsgerichtsrat Scheer verkündete folgendes Urteil: Der Gerichtshof hat die Berufung, die von dem Gerichtsherrn gegen das freisprechende Urteil des Kriegsgerichts der zweiten Division eingelegt worden ist,