Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 10 (1914).djvu/304

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

Urteil:

Wenn man den beanstandeten Artikel unbefangen liest, so wird jeder Leser die Empfindung haben, daß sich einem das Herz zusammenkrampft über die Vorwürfe, die den Anstaltsärzten gemacht sind. Der Artikel enthält eine Anzahl wörtlicher Beleidigungen; er spricht von der „famosen Ärztedreifaltigkeit“ und von der „Leichtfertigkeit pflichtvergessener Mediziner“. Eine üble Nachrede im Sinne des § 186 findet das Gericht in dem Vorwurf, daß in der Anstalt die Bäder als beliebtes Straf- und Zwangsmittel an der Tagesordnung gewesen sind. Das Gegenteil ist erwiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht für das Gericht auch nicht der geringste Zweifel: Lubecki durfte nicht nur, sondern mußte festgehalten werden. Das ergeben die Gutachten der Medizinalräte Dr. Hoffmann und Dr. Leppmann sowie des Geh. Rats Moeli, die das Gericht gegenüber den Anstaltsärzten geladen hatte. Hier war ein Sachverständigenkollegium, wie es besser auf der Welt wohl kaum gefunden werden kann. Sie sagten übereinstimmend, daß Lubecki bei der Einlieferung geisteskrank und gemeingefährlich gewesen ist. Dem wird sich kein Richterkollegium verschließen können. Außerdem hat sich auch hier im Saale jeder Einzelne durch den Augenschein überzeugen können, daß diese Gutachten wirklich das Richtige treffen. Darauf deutet auch die Geschichte von den Erregungspillen. Man konnte es in gewissen Momenten den Augen des Lubecki ansehen, daß der Mann, der noch heute Stadtverordneter in Beuthen ist, noch nicht gesund ist. Lubecki ist nicht meineidig, aber ein unglücklicher Mensch, der von Wahnideen erfüllt ist. Der Beweis ist vollständig gegen den Angeklagten geführt. Es handelt sich nun um die Strafe. Da mag dem Angeklagten zugegeben werden, daß er zunächst wohl getrieben wurde von der Idee, Gutes zu schaffen. Er ist ein Phantast und steht vielfach nicht auf dem Boden realer Wirklichkeit. Andererseits haben wir zu schützen die Ehre von

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/304&oldid=- (Version vom 10.10.2022)