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große Kunst bewundert. Er hatte auf diese Weise immer eine ausgezeichnet ehrenvolle Aufnahme in Dresden, und ging oft dahin, um die Oper zu hören. Sein ältester Sohn mußte ihn gewöhnlich begleiten. Er pflegte dann einige Tage vor der Abreise im Scherz zu sagen: Friedemann, wollen wir nicht die schönen Dresdener Liederchen einmahl wieder hören? So unschuldig dieser Scherz an sich ist, so bin ich doch überzeugt, daß ihn Bach gegen keinen andern als gegen diesen Sohn geäußert haben würde, der um jene Zeit ebenfalls schon wußte, was in der Kunst groß, und was bloß schön und angenehm ist.

Was man in der Welt ein glänzendes Glück nennt, hat Bach nicht gemacht. Er hatte zwar ein einträgliches Amt, aber er hatte auch von den Einkünften desselben eine große Anzahl Kinder zu ernähren und zu erziehen. Andere Hülfsquellen hatte und suchte er nicht. Er war viel zu sehr in seine Geschäfte und in seine Kunst vertieft, als daß er diejenigen Wege hätte einschlagen mögen, auf welchen vielleicht für einen solchen Mann, wie er war, besonders in seiner Zeit, eine Goldgrube zu finden gewesen wäre. Wenn er hätte reisen wollen, so würde er, wie sogar einer seiner Feinde gesagt hat, die Bewunderung der ganzen Welt auf sich gezogen haben. Allein, er liebte ein häusliches, stilles Leben, eine stete, ununterbrochene Beschäftigung mit seiner Kunst, und war, wie schon von seinen Vorfahren gesagt worden ist, genügsam.

Ueberdieß gebrach es ihm in seinem Leben weder an Liebe und Freundschaft, noch an großer Ehre. Der Fürst Leopold in Cöthen, Herzog Ernst August in Weimar, und Herzog Christian in Weissenfels waren ihm mit herzlicher Liebe zugethan, die dem großen Künstler um so mehr werth seyn mußte, da diese Fürsten nicht bloß Freunde, sondern auch Kenner der Kunst waren. In Berlin und Dresden wurde er ebenfalls allgemein geachtet und verehrt. Wenn man hierzu noch die Bewunderung der Kenner und Liebhaber der Kunst rechnet, die ihn gehört oder seine Werke kennen gelernt hatten, so wird man leicht begreifen, daß ein Mann wie Bach, der nur „sich und den Musensang“ auch aus den Händen des Ruhms alles erhalten hatte, was er sich wünschen konnte, und was für ihn mehr Reitz hatte, als die zweydeutigen Geschenke eines Ordensbandes oder einer goldenen Kette.

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Johann Nikolaus Forkel: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Hoffmeister & Kühnel, Leipzig 1802, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Forkel_Bach_1802_Seite_48.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)