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Melchior. Bald darauf wurde die Hochzeit mit großem Gepränge gefeiert, und als man in der Umgegend genug geredet hatte von dem ungeheueren Nadelgelde der Ladi Nothingnix, reiste der Lord nach Karlsbad und Myladi nach Baden-Baden; sie sollen eine sehr glückliche Ehe geführt und sich vor dem Tode des Lords einmal in Paris, einmal in Petersburg, und einmal in Neapel, das letztemal sogar auf eine ganze Stunde wieder gesehen haben.

Junior und Babet hatten sich dagegen bald ihre Liebe erklärt und durch tausend Küsse bewiesen. Dann schickten sie der Gräfin mit Dank und Gruß ihren Wagen wieder zurück, und bestellten sich in dem Wirthshause einen Verlobungsschmaus so gut ihn der Wirth in der Geschwindigkeit herbeischaffen konnte. Als sie den vierten Gang, einen vortrefflichen Lammrostbraten verzehrt hatten und auf den Reispudding warteten, sagte endlich die verständige Babet: Aber wenn du ein so vornehmer und reicher Herr bist, kannst du und willst du mich auch heirathen? —

Hah Narr! lachte Junior, das war nur ein Gespaß mit der Lordschaft, ich bin nichts und habe nichts und will dich dennoch nächsten Sonntag heirathen.

Jetzt schmeckt mir kein Bissen mehr, stöhnte Babet und legte erbleichend Messer und Gabel nieder. Du leichtsinniger Bursche du! Was ist denn aber in der großen eisernen Kiste hinter dir? —

Ist das dumme Ding, brummte Junior, mir auch hierher nachspazirt! In dem Kasten ist viel Geld, aber ich kann nicht dazu.

Wenn wir kein Geld und kein Amt haben, rief Babet, so können wir uns auch nicht heirathen. O! ich unglückliches Mädchen, meinen guten Dienst habe ich aufgegeben und einen Mann krieg ich nun doch nicht! dabei liefen ihr die hellen Thränen die Backen herunter.

Das ist langweilig, fing auch Junior an zu weinen, daß man nicht heirathen kann, wenn man kein Geld hat; jetzt habe ich endlich gelernt, was es heißt, sich langweilen. Aber ach was! setzte er plötzlich sich fassend hinzu, und umarmte seine Braut, wenn wir auch kein Geld haben, ich verstehe mich ja auf’s Haarfrisiren und du erst recht, da heirathe ich dich doch und wir werden zusammen ein Perückenmacher.

Auf einmal knallte es hinter ihnen wie ein Pistolenschuß, daß sie erschrocken von einander fuhren. O! Freude, der Kasten war aufgesprungen, Melchior hatte den ersten gescheiten Streich in seinem Leben gemacht und kann Schreiber dieses am besten dem günstigen Leser sagen, daß der Melchior der glücklichste Gatte und der fröhlichste Perückenmacher unter der Sonne ist, denn ich bin selbst der Melchior Junior und habe meine Lebens- und Liebesgeschichte zur Aufmunterung für alle die verfaßt, welche, wenn sie noch so viel sind und verstehen, doch nicht meinen, heirathen zu können, wenn sie kein Geld und kein Amt haben. Auch in unsern aufgeklärten Zeiten hat jeder solch eine spuckhafte Geldkiste, die sich ihm öffnet, wenn er durch die That zeigt, daß er ein rechter Kerl ist. Dieses ist die Moral von der Sache. – Mit freundlichem Gruße und mit dem Wunsche, daß der Leser recht bald, je nachdem er alt oder jung ist, entweder wie der Lord sich amüsire oder wie der Melchior sich ennüyire, schließt hiermit die schöne Geschichte von dem Manne, der die Langeweile kennen lernen wollte.




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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/193&oldid=- (Version vom 2.4.2020)