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wie in den erzählungen, oder sonstwie gruppiert, wie in sitte und gebrauch. Und es handelt sich nicht nur um einzelne traditionen und gebräuche. Wenn z. b. fast der ganze märchenschatz der schweden oder der grösste teil ihrer zauberbräuche auch bei den finnen anzutreffen ist, so kann man darin jedenfalls keine unabhängige psychische parallelerscheinung sehen. Eigentlich ist diese theorie inkonsequent, wenn sie nicht erklärt, dass jede schwedisch- oder finnischsprachige landschaft ihre phantasieprodukte selbständig ausgebildet hat. Innerhalb einer sprachgrenze gibt man im allgemeinen die möglichkeit des gedankenaustausches zu, will aber geistige entlehnungen zwischen angehörigen verschiedener sprachstämme bezweifeln. Lönnrot hat seinerzeit auf die tatsache hingewiesen, auf die sich die forscher im ausland, wo sich die volkspoesie schon in die entlegensten winkel zurückgezogen hat, vielfach berufen haben, wie nämlich die finnischen, norwegischen und russischen fischer an den küsten des Eismeeres märchen untereinander austauschen. Dass die sprachgrenze für die wanderung der volksüberlieferungen keine unübersteigbare schranke darstellt, beweist am deutlichsten der finnische märchenschatz, der in Westfinland mit dem schwedischen und in Ostfinland mit dem russischen übereinstimmt.

Nicht die sprachgemeinschaft, sondern die kulturgemeinschaft und die geographische lage sind hier ausschlaggebend gewesen.

Erst nachdem die varianten gesammelt, gesichtet und geographisch geordnet sind, kann die analyse eines zu untersuchenden themas zug für zug beginnen. Dabei wird das ziel verfolgt die urformen in ihren einzelnen punkten festzustellen, und jedesmal wird gewissermassen eine abstimmung über die verschiedenen varianten vorgenommen. Eine einzelne variantenform ist meistens als zufällige erscheinung zu beurteilen; der häufiger vorkommenden variation ist im allgemeinen der vorzug vor der seltener begegnenden zu geben. Indes genügt die mechanische zusammenzählung der variantenziffern nicht. Ein gebiet, in dem intensive sammelarbeit getrieben worden ist, kann gegen andere, vernachlässigte gebiete durch vielfache aufzeichnungen vertreten sein. Man muss also die gebiete, in denen die verschiedenen variationen auftreten, vielmehr messen

Empfohlene Zitierweise:
Kaarle Krohn, Emil Nestor Setälä, Yrjö Wichmann (Hrsg.): Finnisch-ugrische Forschungen, Band 10. Red. der Zeitschrift; Otto Harrassowitz, Helsingfors; Leipzig 1910, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Finnisch-ugrische_Forschungen_10_040.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)