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Der Graf von Hennegau wurde 1188 zum Reichsfürsten erhoben, allerdings zunächst als Markgraf von Namur[1]; da sich aber Namur seit 1195 als Fürstenthum nicht mehr erweisen lässt[2], zudem später, wie wir sehen werden, von Hennegau abhängig war, so muss uns das veranlassen, die Frage aufzuwerfen, ob vielleicht die Grafen von Hennegau Fürsten gewesen seien. Hennegau blieb zunächst mit Flandern verbunden, wir können daher auf das vorhingesagte verweisen. Da seit der Trennung von Flandern und Hennegau die Grafen von Flandern durchweg nur als Magnaten erscheinen, so läge die Vermuthung nahe, dass sie früher nicht wegen Flandern, sondern wegen Hennegau Reichsfürsten gewesen seien, auf dieses insbesondere die so sehr bestimmten Worte K. Richards zu beziehen seien. Unwahrscheinlich dürfte das aber zunächst schon sein wegen des durchgängigen Zurücktretens des Titels von Hennegau gegen den von Flandern. Es müsste sich dann weiter nachweisen lassen, dass als Hennegau wieder selbstständig war unter Grafen aus dem Hause Avesnes, diese als Reichsfürsten galten. Seinen Schwager, Johann I., nennt K. Wilhelm allerdings einmal illustris[3], und 1253 nostre cher prince Jehan d’ Avesnes[4]; aber gewöhnlich nennt er ihn nur nobilis[5], und Johann II. heisst in den Kaiserurkunden durchaus spectabilis oder nobilis.[6] Er selbst gebraucht 1287 in einer Urkunde die Ausdrücke: Fidelis interest principis, und: consilio principis sive comitis Hannoniae[7], wird auch wohl von andern Grossen illustris genannt[8]; aber an irgend einem festern Anhaltspunkte, ihn zu den Reichsfürsten zu zählen, fehlt es doch durchaus. Die spätern Grafen von Hennegau und Holland aus dem Hause Wittelsbach werden freilich als Fürsten betrachtet[9], waren es aber schon durch ihre Abstammung.

Wenn die Grafschaft Tirol seit dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts 159 als gefürstete Grafschaft bezeichnet wird, so scheint damals dieser Titel ihr, wie vielen andern Grafschaften, ganz willkürlich beigelegt zu sein.[10] Doch wird sie auch schon in früherer Zeit mehrfach Fürstenthum genannt. In den Vergabsbriefen der Margaretha Maultasch an die österreichischen Herzoge von 1359 und 1363 redet dieselbe immer von ihrem Fürstenthume, der Grafschaft Tirol[11]; die Vögte von Matsch versprechen 1363 dem Herzoge Rudolf zu dienen in desselben unsere herren fürstentum der grafschaft Tirol, versprechen 1393 den Herzogen gehorsam zu sein am fürstenthum zu Tirol, wie andere getreue Landleute des Fürstenthums, und geben die Lehen an, welche sie im Fürstenthume zu Tirol haben[12]; Herzog Albrecht gibt 1393 einen Wappenbrief als Landesfürst und Herr unsers fürstenthums zu Tyrol.[13]

  1. Vgl. § 72.
  2. Vgl. § 143.
  3. Mieris 1, 249.
  4. Mieris 1, 271.
  5. Mieris 1, 269. 279.
  6. 1276 u.s.w.: Mieris 1, 381. 415. 416 u.s.w.
  7. Miraeus 1, 777.
  8. Mieris 1, 418.
  9. z.B. 1377: Miraeus 2, 1244.
  10. Vgl. § 82 n. 6.
  11. Steyerer 351. 355. 359.
  12. Bibl. Tirol. Ms. 614, 57. 197. 200.
  13. Lünig 11 c, 35.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_235.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)