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50 Ergibt sich nun auch für die Rangordnung der mit Amtstiteln versehenen weltlichen Grossen, dass die Herzoge den ersten, die Grafen den letzten Rang einnehmen, zwischen beiden aber Markgrafen, Pfalzgrafen und Landgrafen in schwankender Reihenfolge ihre Stelle finden, so würden wir doch irren, wenn wir diese wenigstens im zwölften Jahrhunderte als eben so massgebend und durchgreifend ansehen wollten, wie die Rangunterschiede, welche für die geistlichen Fürsten schon ihre Stellung in der Hierarchie mit sich brachte. Finden wir diese in den Kaiserurkunden durchweg genau beobachtet, so ist das bei jener keineswegs überall der Fall; es ergibt sich überall eine geringe Beachtung der Rangordnung der weltlichen Fürsten. Steht in der Regel der Herzog allen andern vor, so wird er ihnen auch so oft nachgestellt, dass dabei die Annahme vereinzelter Unregelmässigkeiten nicht ausreicht. So finden wir z. B. 1162 die Zeugenstellung: der Herzog von Baiern, Markgraf von Brandenburg, Herzog von Schwaben, der Landgraf, die Wittelsbacher, vier Markgrafen, Graf Dedo von Groitsch, der Herzog von Böhmen, Pfalzgraf von Sachsen, dann erst die Herzoge von Kärnthen und Brabant[1]; 1123 erscheint der Rheinpfalzgraf vor den Herzogen von Lothringen und Zähringen[2], 1180 der Landgraf vor drei Herzogen[3]; 1161 folgen Schwaben und Kärnthen erst auf den Landgrafen und die Pfalzgrafen vom Rhein und Baiern[4], 1135 Kärnthen auf drei Markgrafen und drei Pfalzgrafen[5] u.s.w. Es fehlt sogar nicht an Beispielen, dass Herzoge einfachen Grafen nachgesetzt werden; 1135 in Mainzer Urkunde folgt Schwaben auf Luxemburg, 1142 Kärnthen auf fünf Grafen, 1143 Schwaben auf Regensburg und Sulzbach, 1158 Herzog Friedrich, K. Konrads Sohn, auf den Grafen von Plaien, 1180 der Herzog von Sachsen auf den Grafen von Groitsch u. s. w.[6] Wie wenig der Titel eines Herzogs an und für sich einen Vorrang gab, zeigt uns die Stellung des Herzogs von Dalmatien oder von Dachau; auch wo die übrigen Herzoge vorstehen, finden wir ihn den Grafen zugeordnet, wohl auch allen nachgesetzt[7]; kaum dass vereinzelt sein Titel Anlass geboten haben mag, ihn auch angesehenern Fürsten, so 1163 dem Königssohne Friedrich und dem Pfalzgrafen von Baiern, vorzustellen.[8]

Was von den Herzogen gilt, wird für die Markgrafen, Pfalzgrafen und Landgrafen nicht erst zu erweisen sein; fanden wir Beispiele, dass sie wohl im allgemeinen der Klasse der Grafen zugezählt wurden, so ergibt sich dasselbe aus ihrer Stellung als Zeugen, wenn auch eine ausdrückliche Scheidung in Klassen fehlt. Selbst die mächtigsten, wie der Markgraf von Oesterreich, der Rheinpfalzgraf oder der Landgraf von Thüringen lassen sich wenigstens einzelnemale als Grafen

  1. Muratori ant. 6, 57.
  2. Herrgott 2, 137.
  3. M. G. 4, 164.
  4. M. B. 29, 359.
  5. Hund 2, 461.
  6. Guden 1, 120. Meiller 30. M. B. 9, 500. 14, 24. Notizenbl. 2, 134.
  7. 1157-71: M. B. 29, 344. 6, 181. Ried 1, 242.
  8. M. B. 6, 180.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_102.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)