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Konnte so der allgemeinen Bedeutung des Wortes nach ein sehr ausgedehnter Gebrauch von demselben gemacht werden, so haben wir zu untersuchen, welchen Gebrauch man im Reiche urkundlich wirklich davon gemacht hat. Es lassen sich denn auch Fälle nachweisen, wo der Gebrauch bis auf einen sehr untergeordneten Kreis hinabgeht. So werden nach Urkunde von 890 omnes principes de tribus comitatibus, id est de Turgowe, de Lintzgowe et de Rhaetia Curiensi cum reliqua populorum multitudine versammelt, um ein Weisthum über Rechte der Abtei S. Gallen zu geben[1]; unter diesen Principes, welche vier und fünfzig an der Zahl namentlich aufgezählt werden, haben wir uns doch nur die angesehensten Grundbesitzer jener Gaue zu denken. Als Arelatensium principes werden in Urkunde von 994 der Untergraf und fünfzehn Einwohner von Arles aufgeführt.[2] Im J. 1037 geht jemand einen Tausch ein cum principibus qui erant in congregatione ss. martirum Felicis et Regule zu Zürich.[3] In einer Osnabrücker Urkunde von 1118[4] sind als principes marchionum die angesehensten Markgenossen der Mark Oesede bezeichnet, also Bauern nach unsern Begriffen. Doch sind das Ausnahmen und wo es sich um den mehr oder weniger feststehenden urkundlichen Sprachgebrauch handelt, ging man wohl gewöhnlich nicht so weit hinab; dagegen ist nicht zu läugnen, dass die in Urkunden vorkommenden Principes nicht überall gerade Reichsfürsten sind, dass oft nur die Beziehung auf einzelne Theile des Reichs zu Grunde lag. Es wird zweckmässig sein, zuerst diese ins Auge zu fassen, um dann unsere ungetheilte Aufmerksamkeit den Reichsfürsten zuwenden zu können.

15 Zunächst finden wir in den Reichsländern, in welchen von dem Worte Princeps der ausgedehnteste Gebrauch gemacht wurde, auch eine entsprechende Ausdehnung des Ausdruckes Principes, indem hier selbst die Grossen einzelner Grafschaften damit bezeichnet werden.

Im Königreiche Burgund ist das weniger häufig der Fall; auffallenderweise gehören die mir bekannten Beispiele einer spätern Zeit an, in welcher der Ausdruck eine so bestimmte Beziehung auf die Reichsfürsten gewonnen hatte, dass er in anderen Beziehungen kaum mehr gebraucht wurde. Im J. 1222 schliessen der Erzbischof von Bisanz und Graf Reinald von Burgund eine Sühne de consilio bonorum virorum et principum suorum tam clericorum quam laicorum.[5] Im J. 1335 schreibt der Delfin von Vienne universis principibus, baronibus, – officialibus suis atque subditis quibuscunque; 1337 werden in einem Vertrage zwischen dem Grafen von Savoyen und dem Delfin die praelati, principes et nobiles terrarum suarum

erwähnt; 1427 urkundet der Herzog von Savoyen principum, praelatorum,

  1. Neugart 1, 485.
  2. Gallia chr. 1, 108.
  3. Wyss, Zürich. Urk. 38.
  4. Möser 4. 73.
  5. Dunod 2, 615.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_062.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)