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Und später sah man so allgemein die Aemter als Grundlage der Kur an, dass eine solche Verbindung hier kaum befremden kann.

Ein älteres Zeugniss für eine solche Verbindung, als es der Ssp. bietet, finden wir allerdings nicht, und es ist wohl die Vermuthung ausgesprochen, die Meinung, der Vorzug einzelner Fürsten bei der Wahl gründe sich auf die Aemter, sei überhaupt erst durch den Ssp. entstanden, dessen Verfasser diese Theorie zuerst aufgebracht habe. Und an und für sich dürfte die Annahme, dass ein Schriftsteller sich eine solche Ansicht bildet, sie ausspricht, und diese sich dann gerade durch Aufnahme in ein so weit verbreitetes Werk in weitesten Kreisen festsetzt, nicht unstatthaft scheinen. Aber im gegebenen Falle ist sie mir durchaus unwahrscheinlich. Wie sollte der Verfasser des Ssp. auf den Gedanken gekommen sein, den Vorzug seiner drei Laienwähler auf die vier Aemter zurückzuführen, wenn der Gedanke einer Verbindung zwischen Kur und Amt überhaupt noch nicht ausgesprochen war? Er scheint nach der ganzen Fassung denselben nur zu kennen, ihm aber kaum beizupflichten.

Die jedenfalls gezwungene Zusammenstellung der Angaben des Ssp. scheint sich mir am wenigsten zu erklären, wenn wir annehmen, er sei bei Konstruktion derselben seinen eigenen Einfällen gefolgt; näher scheint mir der Gedanke zu liegen, dass abweichende Angaben, welche er vorfand, ihn bestimmten. Die Gründe, wesshalb ich glaube, dass man in jener Zeit über Zahl und Personen der ersten Wähler verschiedener Ansicht sein konnte, habe ich früher angedeutet. Es ist leicht möglich, dass man in verschiedenen Theilen des Reichs oder auch zu verschiedener Zeit bald eine Sechszahl, bald eine Siebenzahl nannte, bald den Böhmen oder Baiern ihr zuzählte, bald nicht, bald den Grund des Vorzuges in den Erzämtern, bald in andern suchte. Dem Verfasser des Ssp. mochte nun eine Ansicht bekannt geworden sein, welche den Vorzug der Laienfürsten auf die Aemter bezog, demnach auch wohl sieben erste Wähler zählte und zu ihnen den König von Böhmen. In seiner lateinischen Vorlage fand er aber unzweifelhaft die in den sächsischen Rechtsbüchern so durchgreifend vertretene Sechszahl; und zwar waren hier,

wollen wir anders das Verhältniss des Auctor vetus zum Lehnrechte

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_126.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)