Seite:Ernst Die groesste Suende.djvu/120

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sind, das ist ein Mann, der seine Überzeugung verkauft, das bin ich.

Magdalene (schlägt die Hände vors Gesicht und bricht in krampfhaftes Schluchzen aus.)

Wolfgang (mit ihrem Haar spielend): Ach, wenn es noch ein Zurück gäbe aus diesem Elend! Ihnen das Geld vor die Füße werfen, doppelt, dreifach, da, da, da! – Aber das ist die Geschichte vom Judas. (Wie träumend): Er brachte die 30 Silberlinge den Priestern und rief: Es reut mich, daß ich unschuldig Blut verraten habe. Sie aber sprachen: „Was gehet das uns an. Da siehe du zu.“ (Mit furchtbaren Hohnlachen:) Hahahahaha! Was geht das uns an! Da siehe du zu! – Und er warf die Silberlinge in den Tempel und ging hin und erhenkte sich selbst. – (Pause.)

Magdalene (erhebt sich mit einem plötzlichen Entschluß. Sie erscheint verändert; ihre Züge sind bleich, aber von festem Ausdruck): Wolfgang – ich sehe, daß es kein Zurück giebt. (Mit rasender Leidenschaft:) Aber ich will, daß du mich liebst – (ruhig:) und du wirst mich lieben. Ich habe dich entehrt – laß mich zu Ende reden: ich habe dich entehrt. Wäre ich die Frau gewesen, die ich dir versprach – es wäre alles anders gekommen – und wär’ es so gekommen, du hättest mich sterben lassen und hättest dich aus deinem Schmerze größer, stärker, mutiger wieder erhoben. – Aber ich hatte dich verwirrt; ich hatte dich im Stich gelassen in der größten Not. Du hast mein Leben erkauft – dir gehört es – und dir will ich es geben. (Sie geht an den Schreibtisch und öffnet das Schubfach.)

Empfohlene Zitierweise:
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/120&oldid=- (Version vom 31.7.2018)