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28 Erstes Buch.


Die sie mit Zauberspruch zwingend heraufrief:
Sie wird frevelnde That bitter beweinen.
[23] 23Wer zurück mich zog vom Orkus, müsse sterben selbst verflucht,
Und er büss’ im Reich des Dunkels, dass den Geist herauf er rief.
Denn wenn grausiger Schar schwarzes Verderben
In schwer lastender Wucht presset die Herzen,

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Hand mit schrecklicher Klau’ lebende fortreisst,

Grausam Glieder zerreisst, Körper zerfleischend,
Dann bleibt heil Dir und ganz, Hading! das Leben,
Nicht das untere Reich raffet Dich an sich,
Nicht wird traurig zum Styx wandeln die Seele;

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Aber das Weib wird, gebeugt unter der Schuld Last,

Sühnen, Asche sie selbst, dann meine Asche,
Sie, die Schatten zu Leid hierher zurückzwang.
Wer zurück mich zog vom Orkus, müsse sterben selbst verflucht,
Und er büss’ im Reich des Dunkels, dass den Geist herauf er rief.

Als sie nun in dem genannten Haine in einer aus Zweigen gefügten Hütte die Nacht verbrachten, sah man eine wundergrosse Hand, wie sie den Wohnraum ganz durchstreifte. Erschreckt durch diese gespenstische Erscheinung rief Hading die Hülfe seiner Pflegemutter an. Da entfaltete Harthgrep ihre Glieder und dehnte sich in gewaltiger Schwellung aus, packte dann mit festem Griffe die Gespensterhand und hielt sie ihrem Pflegling hin, damit er sie abhaue. Aus ihren gräulichen Wunden floss mehr Eiter als Blut. Zur Strafe für diese That wurde Harthgrep darauf von ihren Geschlechtsgenossen[1] zerrissen; weder die Eigentümlichkeit ihrer Natur, noch ihre Körpergrösse konnte sie davor bewahren, die Griffe der Klauen ihrer Feinde an ihrem Leibe kennen zu lernen.

Als Hading seiner Pflegemutter beraubt war, da erbarmte sich des Verlassenen ein alter Mann, auf einem Auge blind, und gewann ihm in feierlichen Bundesvertrage den Wiking Liserus zum Genossen. Wenn die Alten einen solchen Bund abschliessen wollten, pflegten sie in ihre Fussspuren wechselseitig ihr Blut träufeln zu lassen, um dem Freundschaftsbunde durch die Vermischung des Blutes beider ein


  1. d. h. den Riesen.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_038.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)