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Geheime Rath Graf Lindenau in Dresden, erfahren hatte, daß Behrisch zu häufig mit Goethe verkehrte und dabei seine Obliegenheiten als Hofmeister vernachlässigte. Seinem Nachfolger Langer, später Nachfolger Lessing’s als Bibliothekar zu Wolfenbüttel, machte Graf Lindenau deshalb zur Bedingung, nicht mit Goethe umzugehen, eine Bedingung, die Langer jedoch, nachdem er Goethe kennen gelernt, nicht einhielt, aber, vorsichtiger als Behrisch, suchte er Goethe nur nachts auf.

1775 war Goethe nach Weimar gekommen und sehr bald unternahm er von da einen Ausflug nach Leipzig, aber erst 1790 kam er wieder nach Dresden und war dann zweimal da: vom 28. Juli des Morgens bis 30. in der Nacht auf der Reise nach Schlesien, wohin ihn der als preußischer General beim Reichenbacher Congreß anwesende Herzog von Weimar berufen hatte, und auf der Rückreise vom 25. September bis etwa 4. Oktober. Er wohnte damals, wenigstens das eine Mal, im Gasthof „Zum drei goldnen Palmzweigen“, und zwar wegen der Nähe der Wohnung des Hausmarschall Freiherrn zu Racknitz, welche sich in seinem, ans Japanische Palais grenzenden Hause befand. Ihn besuchte Goethe gleich nach seiner Ankunft. Er kannte ihn von Karlsbad her, wo gemeinschaftliche mineralogische Beschäftigungen sie zusammengeführt hatten. Sie waren es aber nicht allein, die Goethe und Racknitz gemeinsam waren; auch künstlerische Bestrebungen theilten beide. Indeß scheint bei Racknitz der Kunstsinn hinter dem Sammlergelüst zurückgestanden zu haben, das sich ja leicht durch Seltenheiten, wohl auch Seltsamkeiten befriedigen läßt. Für diese Richtung Racknitzens ist eine seiner Schriften besonders bezeichnend, die den Titel führt: „Darstellung und Geschichte des Geschmacks der vorzüglichsten Völker in Beziehung auf die innere Auszierung der Zimmer und auf die Baukunst“. Dieses bunte Allerlei war allerdings kein Werk in dem Sinne, in dem Goethe die Kunst pflegte, und wenn er auch die vom Hofbaumeister Schuricht dazu gelieferten Zeichnungen zu loben nicht umhin konnte, so fand er doch die „freiherrliche Leitung“ des Ganzen, wie er sich ausdrückte, sehr schwach und verurtheilte das Werk in dem Xeniengericht, das er und Schiller 1796 über Ausartungen der deutschen Literatur ergehen ließen. Eins der gegen Racknitz gerichteten Xenien lautete:

Kamtschadalisch lehrt man euch schon die Zimmer verzieren,
Und doch ist manches bei euch kamtschadalisch genug.

Ein anderes Xenion treffender:

Ehmals hatte man Einen Geschmack; nun giebt es Geschmäcke,
Aber sagt mir, wo sitzt dieser Geschmäcke Geschmack?

Trotz dieser Verspottung hat die Freundschaft nicht wesentlich gelitten, da Goethe 1810 Racknitz wieder in Dresden aufsuchte. Die Xenien trafen ja alles, was nur irgend in der Literatur von sich reden machte, sodaß von ihnen verschont zu werden als Nichtachtung galt, der man sich weniger aussetzen mochte, als einer Hechelei, die so zahlreiche, im Ganzen achtbare Männer gleichmäßig traf.

Vor der Rückreise aus Schlesien meldete sich Goethe brieflich bei Racknitz an, indem er ihn zugleich im Auftrage seines Herzogs einlud, am 26. September sich mit ihm nach Schandau zu begeben, von wo ab sie dann als Begleiter des Herzogs nach Dresden zurückreisen sollten. Es liegt kein Grund vor, an erfolgter Ausführung dieser Parthie zu zweifeln.

Während Goethe’s erstem kurzen Verweilen in Dresden im Jahre 1790, Ende Juli, suchte der preußische Gesandte, Graf Geßler, den ihm von Karlsbad her bekannten Goethe auf und verfügte sich mit ihm nach Loschwitz zum Appellationsrath Körner, der in der Literatur zwar viel genannt ist, weniger aber wegen eigener schriftstellerischer Leistung denn als thätiger Freund Schiller’s und als Vater Theodor Körner’s. Goethe hatte ihn Jahrs zuvor in Jena persönlich kennen gelernt, als Körner mit seiner Frau und deren in seinem Hause lebender Schwester Dora Stock Schiller in Jena besuchten. Die Schwestern waren Töchter des Stock, bei dem Goethe in Leipzig das Kupferstechen erlernte und in dessen Familie er freundschaftlich verkehrt hatte. Als Goethe 1789 hörte, daß Körners in Jena sich aufhielten, freute er sich sehr, die Freundinnen wiederzusehen, da er aber in Amtsgeschäften von Weimar abwesend war, ließ er sie ersuchen, ihre Abreise bis zu seiner Rückkehr aufzuschieben. Dies geschah; Goethe eilte nach Jena und machte dabei erst die Bekanntschaft des Appellationsrath Körner. Der war ein vielseitig gebildeter, in Literatur und Kunst bewanderter Mann, mit dem Goethe sich bald befreundete und an dessen Urtheilen er sich immer erfreute, besonders an den über Goethe’s eigene Dichtungen, über die Körner in Briefen an Schiller sich ausführlich zu äußern pflegte. Als der Sohn Theodor mit dramatischen Dichtungen hervortrat, nahm sich Goethe als Direktor des Weimarschen Hoftheaters ihrer an und brachte sie größtentheils zur Aufführung. Demzufolge beziehen sich mehrere der zwischen Goethe und Körner gewechselten Briefe auf die bühnendichterische Thätigkeit Theodors; in anderen nahm Goethe Veranlassung, Körner um Vermittelung in Dresden zu besorgender Geschäfte anzugehen, z. B. in Betreff des Theaters oder wegen Unterbringung von Künstlern, wie namentlich des Facius, der bei dem berühmten Tettelbach das Steinschneiden erlernen sollte. Die Freundschaft erlitt eine Störung 1813, als Theodor Körner sich den freiwilligen Kämpfern gegen Napoleon angeschlossen hatte, was Goethe mißbilligte, da er von der Ueberzeugung der überwiegenden Feldherrngröße Napoleons

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/42&oldid=- (Version vom 1.5.2024)