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– Wochenauszüge aus den Kirchenbüchern – sind im Rathsarchive in einer Bändereihe vom Jahre 1762 ab aufgestellt; seit Jahrzehnten wußte niemand etwas davon, daß jemals ältere vorhanden gewesen seien. Erst kürzlich ließ mich ein glücklicher Zufall Schriftstücke auffinden, aus denen hervorging, daß eine ältere Reihe dieser Kirchennachrichten von 1703 bis 1760 als Ersatz für die verbrannten Kirchenbücher auf Antrag des Kirchners im Jahre 1862 an die Kreuzkirche abgegeben worden war. Im Wechsel der Zeiten und der Personen war dort das Vorhandensein dieser werthvollen Bände in Vergessenheit gerathen und jetzt erst sind sie auf meine Veranlassung wieder hervorgezogen worden. Da findet sich denn unter den am 20. März 1738 Begrabenen verzeichnet:

H. George Bähr, E. Hoch Edl. Raths Baumeister, ein Ehem. 72 Jahr, an Steckfl. und Verzehrung, See G. in eigen Hause. – St. Joh.“

Also langsame Auszehrung und Stickfluß, nicht ein jäher Sturz vom Baugerüste hat den Meister getödtet! Und der Mann mit geborstenem Schädel und zerbrochenen Rippen, den man mit Bährs Denkmal in den Katakomben der Frauenkirche feierlich beigesetzt hat? Irgend ein armer Verunglückter, der zufällig neben Bähr seine Ruhestätte gefunden hatte und dem man sie nun auch unter seinem Bauwerke weiter gönnen möge! Nur wäre es jetzt wohl an der Zeit, das interessante Grabdenkmal aus dem Dunkel der Katakomben wieder herauszuheben und dem Meister zu Ehren für Jedermann sichtbar in oder an der Kirche aufzustellen.

Schließlich möge noch die Frage berührt werden, wie die Fabel von dem Sturze Bährs hat entstehen können. Auch sie läßt sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit beantworten. Am 29. August 1730 früh 7 Uhr stürzte sich ein Baron Melchior Ernst von Kröcher, in Altendresden wohnhaft, 40 Ellen hoch vom Gerüst der Frauenkirche herab und blieb zerschmettert liegen. Der Selbstmord dieses verarmten Adeligen – man fand bei ihm nur noch 2 Dreier – machte natürlich großes Aufsehen und blieb dem Volke lange in Erinnerung. Nach hundert Jahren war aber nicht mehr sein Name, sondern nur noch die Thatsache bekannt, daß sich während des Kirchenbaues Einer vom Gerüst herabgestürzt hatte. Dazu wußte man von den Widerwärtigkeiten, mit denen der Erbauer der Kirche zu kämpfen gehabt hatte – und so lag es um so näher, den Sturz ihm anzudichten, als es überhaupt ein uralter Zug der Volkssage ist, daß sie die Schöpfer großer Bauwerke bei deren Ausführung ein tragisches Ende finden läßt.


Aus Julius Schnorrs Tagebüchern.

VI.

1854.

August.

13) Sonntag. ... Zu Hause finde ich Herrn Dr. Lübke, welcher meine biblischen Zeichnungen sehen wollte, überhaupt mit mir und meinen Sachen näher bekannt werden will mit der offen eingestandenen Absicht, einen Artikel über mich für das Berliner Kunstblatt, bei welchem er einer der thätigsten Mitarbeiter ist, zu schreiben ...

14) Montag ... In der Neustädter katholischen Kirche werden die Propheten und Erzväter nun begonnen. Es erstattet mir Zumpe Bericht, den ich dagegen aufmerksam mache, wie er durch sein Oelgemälde (die Kreuzabnahme) ein Reisestipendium, eine goldene Medaille und mit der Zeit eine Anstellung an unserer Akademie anstreben müsse. Sein Porträt, das er selbst gemalt hat, zeigt mir, daß er zum Malen eminent befähiget ist; seine Erfindungsgabe habe ich nun auch als viel kräftiger und bedeutender kennen gelernt, als ich sie früher anschlagen konnte.

18) Freitag. Herr Lübke hat mir einen Aufsatz Schnaases über Werke der Holzschneidekunst, welcher vorzüglich meinem Bibelwerke gewidmet und in dem deutschen Kunstblatt (Nr. 49 – 1852) abgedruckt ist, mitgetheilt, den ich abgesehen davon, daß meines Werkes rühmend gedacht ist, mit großer Freude gelesen habe. In so eingehender Weise wird selten über Sachen der Kunst gesprochen. Ich fühle mich so angeregt, daß ich, hätte ich nur Zeit, recht vieles sagen, d. h. schreiben, möchte, um meine früher niedergelegten Gedanken weiter zu entwickeln. Während seines hiesigen, noch einige Zeit andauernden Aufenthalts hat Lübke auch zwei sich an einander reihende Artikel über Rietschel und seine Werke geschrieben, die sehr schön und eingehend gehalten sind.

23) Mittwoch. Gaber schickt mir einen Probedruck von einem der Magdalenen-Bilder: „Magdalena suchet den Herrn und findet ihn nicht“. Das Blatt ist schön geschnitten, hätte aber von mir aus mehr durchgebildet werden sollen.

24) Donnerstag ... Die acht Statuen an der Zwingerhofseite des Museums sind nun auch aufgestellt und nehmen sich prachtvoll aus. Es sind Dante, Giotto, Holbein, Dürer, Cornelius, Goethe, Rafael und Michael Angelo. Dante, Cornelius und die beiden letzteren sind von Hähnel, die andern von Rietschel. Rafael ist außerordentlich schön und nimmt sich besonders an dem Ort, für welchen seine Stellung berechnet ist, vortrefflich aus. – Heute Abend lesen wir in der Zeitung, daß Schelling gestorben ist. Er starb in der Schweiz


Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/294&oldid=- (Version vom 20.5.2024)