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der nur eine Zeichnung zu machen verstehe; beim geringsten Bedürfniß lasse man Sachverständige aus Berlin kommen.

Nach Vollendung seiner Studien betrat Thormeyer die übliche Laufbahn des Architekten, doch ließ ihm sein Beruf Muße genug, kleinere Reisen zu unternehmen und dem Pinsel, Stift und Griffel manche Stunde zu widmen. Einige Aquarelle führte er nach Studien im Wörlitzer Parke aus, unter anderem den Venustempel, das Wasserpalais und den Tempel der Flora. Vom Jahre 1799 datirt ein Bild des Königbaums im Garten zu Dieskau und eine Reihe Weimaraner Parkbilder. Alle diese Aquarelle befinden sich im Königlichen Kupferstichkabinet zu Dresden. Eine Reihe hübscher Leipziger Ansichten, unter anderen das Peters- und Grimmaische Thor hat er wohl auf seiner Reise nach Wörlitz aufgenommen. Daß Thormeyer unter Umständen ein sehr graciöser Figurenzeichner war, beweist ein kleines landschaftliches Idyll vom Jahre 1799 in der Kupferstichsammlung König Friedrich Augusts II. Das erfindungsarme Titelblatt und die schöne Zeichnung des Meißner Domes von 1795 zu Schlenkers malerischen Skizzen sind sehr charakteristisch für Thormeyers Künstlerstellung. Doch davon später.

Das neue Jahrhundert mit seinen Truppendurchzügen und seinem Kriegsgetöse bot wenig Aussicht auf eine geeignete Beschäftigung unseres Baukünstlers. Zwar wurde er Hofbaukondukteur und 1812 Hofbaumeister, aber seine Fachthätigkeit mußte er im Entwerfen und Errichten von Ehrenbögen und Straßendekorationen verzetteln. In dieser dürftigen Zeit waren die einst verschmähten Pinsel und Stifte recht liebe Gesellschafter – sei es, daß er zerfallene Gemäuer aufzeichnete, sei es, daß er die Architekturen des Pillnitzer Schlosses auf das Papier brachte, sei es, daß er die Ufer der Elbe auf- und abwärts wanderte, um hier eine minderwerthige Stromlandschaft und dort ein vorzügliches Architekturbild zu verfertigen. Nächtlicher Weile durchschweift er Dresden, eine der vielen Festbeleuchtungen in sich aufzunehmen, die damals in kurzen Abschnitten meist erzwungen aufeinander folgten.

Und dann kommt die Zeit, wo die Kontinentalsperre Handel und Industrie zermalmt und so auch jede Gelegenheit zu wahrer künstlerischer Bethätigung erstickt. Denn was können die vergänglichen Ehrenbauten und Straßendekorationen bei Anwesenheit Napoleons und Franz II. mit ihren Gemahlinnen am 16. Mai 1812 zur Befriedigung eines regen Künstlersinnes beitragen! Seine in Aquatinta behandelten Radirungen der Illumination vom 18. Mai müssen als bloße Nothbehelfe eines vergeblich suchenden Künstlergeistes bezeichnet werden. Erst als am 14. Dezember 1812 jener einfache Schlitten früh 3 Uhr vor dem Hotel des französischen Gesandten zu Dresden hielt, erst als jene welthistorische Tragödie der Ehrsucht ihrem Ende zuging, erst dann begann langsam der ungeheure Druck zu weichen, der viele Jahre auf dem politischen und künstlerischen Leben gelastet hatte. Und als Anfang 1813 russische Kriegsvölker herannahten, als die Kostbarkeiten des Hofes nach Königstein geschafft wurden und der König selbst am 25. Februar die Residenz verließ, duldete es unseren Thormeyer nicht mehr: er entfloh dem eisernem Ringe, der sich langsam um Dresden zog, und ging nach dem Süden. Ohne solche äußerliche Gründe wäre Thormeyer schwerlich nach Rom gekommen, denn der innere Trieb, die heiße Sehnsucht nach dem klassischen Boden fehlte ihm. Seine Reiseroute war auf eine Abwesenheit von mindestens einem Jahre zugeschnitten und ging durch das Thüringer Land über Gotha, Kassel, Marburg, Limburg, Frankfurt, Darmstadt, Heidelberg, Baden-Baden, Freiburg im Breisgau, Basel, Bern, Freiburg i. d. Schweiz, Lausanne, Genf, Venedig nach Rom. Sie verräth den guten Geschmack des Reisenden. Von den genannten Städten finden sich Skizzen, schöne Architekturen, Städtebilder, Dome, Thore und Perspektiven in der Sammlung König Friedrich Augusts. Hier können wir uns auch ein Bild machen von Thormeyers langem römischen Aufenthalt, von seinen Ausflügen in die Abruzzen, in das Albanergebirge nach Tivoli, Terni, Capua, den Pontinischen Sümpfen, Neapel mit dem Vesuv, dessen Krater er an Ort und Stelle aufnimmt. Besonders hervorheben wollen wir eine sehr fein durchgearbeitete Burgruine, die jedenfalls aus der Rheingegend entnommen ist, ein sehr hübsches Neapler Straßenbild, eine gutgezeichnete Brücke in Venedig, ein Aquarell des Thales der Aquädukte bei Tivoli, schöne Architekturzeichnungen der Thermen des Diocletian und des tempio di Pallade vom 14. Juli 1813. Mit viel landschaftlichem Verständniß, wie es sich bei Thormeyer selten findet, ist der Cypressenhain von Tivoli gezeichnet. Auch eine Reihe Partieen aus der Villa Borghese, besonders den Tempel der Faustina, wollen wir erwähnen. Daß Rom mit seinen antiken Bauwerken stark vertreten war, ist selbstverständlich. Ein Beleg dafür, daß Thormeyer auch als Maler nicht einseitig war, ist eine gar nicht üble Porträtstudie und eine sehr originelle Bleistiftzeichnung eines Büffelhirten in Paestum. Ehe wir mit Thormeyer nach Dresden zurückkehren, wollen wir erwähnen, daß Vogel von Vogelstein, dessen „eccellenza, bravura in quest’ arte divina“ in ganz Italien berühmt war, sein Porträt zeichnete. 1820 wurde Vogel an Stelle des unglücklichen Kügelgen nach Dresden berufen, und da dürfte Thormeyer seinen Verkehr mit dem Meister wieder aufgenommen haben.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/246&oldid=- (Version vom 6.5.2024)