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und ansprechender Lebendigkeit zu lösen vermag und lösen wird.

15) Samstag... Zum Mittagsessen war ich bei dem Grafen Baudissin eingeladen, bei welchem ich außer dem General auch noch die Schwägerin vom Rhein (Frau Prof. Naumann) fand, die mir Grüße brachte von Dahlmann, Sulp. Boisserée, Brandis und Frau Klausen.

24) Montag... Gaber übergiebt wieder ein sehr gelungenes Blatt „Jakob ringt um den Segen mit dem Engel“, und wird es nur einer kleinen Retusche an dem Kopfe des Engels bedürfen.

25) Dienstag... Abends liest uns Paldamus[1] ... jene schon erwähnte Erzählung von Boz „Das Heimchen“ vollends vor. Die Durchführung und der Schluß derselben befriedigen uns ebenso wie der Anfang; oder vielmehr unsere Erwartung wird noch übertroffen, und wir sind alle entzückt über das herrliche wohlthuende Bild, das der Schriftsteller vor unseren Augen entrollt.

29) Samstag... Abends besucht uns Ed. Devrient. ... und Paldamus sind auch da. Es kommt zu sehr interessanten Erörterungen über Meyer Beer und Gutzkow. Devrient tritt dem Paldamus, in Betreff des ersteren namentlich, über welchen die Urtheile abweichen, energisch entgegen. Der Prophet und die Ritter vom Geiste werden gänzlich und gründlich abgethan. Der Abend war außerordentlich interessant.

30) Pfingst-Sonntag... Durchlesung einer Schrift gegen Alban Stolz, der in neuerer Zeit ein eifriger Gegner der Protestanten geworden ist und in einer Schrift, betitelt: „Diamant oder Glas“, unsere Abendmahlslehre auf das heftigste angegriffen hat. Die Schrift, die ich lese, rührt von Dr. Schenkel in Heidelberg her und führt den Titel „Fels oder Sand“ ... Abends liest uns Paldamus die „Antigone“ des Sophokles vor.

31) Pfingst-Montag... Gegen Sonnenuntergang besteige ich noch die Höhe hinter Plauen, wo der Opferstein stand, und weiter. Der Anblick in den Grund hinab ist heute unvergleichlich schön. Auf dem Rückweg gerathe ich auf Feldsteige, die kein Ende haben oder vielmehr endigen, ehe sie mich an ein Ziel bringen, und ich komme nur auf großen Umwegen wieder auf die rechte Straße.

Juni.

2) Mittwoch... Abdrücke (zweite Probe) von den Platten „Jacob ringt mit dem Engel des Herrn“ und „Nathans Bußpredigt“. Das erste Blatt ist von Gaber ganz herrlich geschnitten. Das zweite nimmt sich jetzt nach einigen Korrekturen auch ganz gut aus...

3) Donnerstag... Mich erwartete [auf der Galerie] auch der Bericht über eine Büberei, die an der Kopie des Urlaß nach einem Van der Werff ausgeübt worden ist. Die Kopie ist mit einem Messer an drei Seiten vom Blindrahmen abgeschnitten. Beim vierten Schnitt muß der Dieb gestört worden sein; denn da ist es nicht vom Rahmen getrennt.

6) Sonntag. Nachdem ich noch mit großem Appetit gegessen, fühle ich plötzlich nach Tisch die aus alten römischen Zeiten her mir wohlbekannten Vorboten des Fiebers.

Juli.

8) Donnerstag. Während eines vollen Monats unterbleiben alle Aufzeichnungen. Sehr bald wirft mich die Krankheit völlig darnieder. Wenige Tage nach der Erkrankung zeigt sich diese als heftiger Angriff eines Nervenfiebers. Mein Bewußtsein verwirrt sich. Wunderliche Phantasien, deren ich mich noch erinnere und die sich großentheils zu künstlerischen Anschauungen gestalten, erfüllen mein Gehirn. In der zweiten Hälfte der ersten Wochen schwebe ich in großer Gefahr... Heute morgen besuchte mich Rietschel. Er ist außerordentlich gestärkt aus Palermo und Meran zurückgekehrt, und man kann hoffen, sein Uebel sei nicht so bedenklicher Art, als man fürchtete... Heute besuchte uns Eduard Devrient. Er äußerte sich ausführlich über das Spiel des Herrn Dawison, der vor einigen Abenden meine Frau und die Mädchen in der Rolle des Hamlet außerordentlich erfreut hatte. Devrient ermäßiget den Beifall und weist nach, daß Dawisons Spiel doch ein durchaus modernes und beifallsüchtiges sei; dabei läßt er aber dem ausgezeichneten Talent des Mannes volle Gerechtigkeit widerfahren...

9) Freitag. Meine treue, treueste und allergetreueste Hausfrau, Freundin, Pflegerin und Helferin hat, wie sie meinem Leibe allen Beistand und Hilfe in der schweren Zeit angedeihen ließ, auch für die Erquickung meines Herzens und Geistes gesorgt. In Beziehung auf geistige Nahrung habe ich ihr zu danken, daß sie mir aus Steins Leben vorgelesen hat. Wir sind gerade an dem ohne Zweifel interessantesten Theil, am dritten, der von der Zeit handelt, während welcher Stein dem Kaiser Alexander als geachteter Rathgeber und einflußreicher Staatsmann zur Seite stand und Napoleon endlich durch den russischen Feldzug seinem Untergang entgegengeführt wurde. Ich bin von der größten Bewunderung erfüllt für Stein und erbaue mich wahrhaft an dieser menschlichen und staatsmännischen Größe.

11) Sonntag... Erste Anfänge im Zeichnen. Mehr das Verbot als die Unfähigkeit halten mich vom anhaltenden Zeichnen zurück.

14) Mittwoch... Zuweilen zeichne ich schon wieder ein wenig. Gott sei Dank, meine Hand ist fest und zittert nicht...


  1. Lehrer an der Blochmann-Bezzenbergerschen Erziehungsanstalt, später Schwiegersohn Schnorrs.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/213&oldid=- (Version vom 19.5.2024)