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einen Saal füllen und für sich eine merkwürdige kleine Galerie bilden.

25) Dienstag. Diner bei Herrn Präsident Müller[1]. Wenige, aber hochgestellte Tischgenossen. Der russische Gesandte (Herr von Schröder), der östreichische (Graf Kuefstein), der preußische (Graf Galen), der französische und englische, Graf Chotek, Regierungspräsident von Böhmen, Herr von Lüttichau, Herr von Arnim, Prof. Hähnel und außer dem Wirth ich. Nach allen Beziehungen ein höchst ausgezeichnetes Diner. – Hähnel theilt mir mit, daß er gerade heute ein Schreiben aus Wien empfangen habe, nach welchem es von ihm abhängt, ob er die Professur der Bildhauerei an der Wiener Akademie annehmen will oder nicht. – Unter den Gästen befand sich auch der Kriegsminister von Rabenhorst.

April.

10) Samstag... Galerie-Kommission. Die heil. Margarethe[2] nach oder von Correggio im Rafael-Saal zur Zufriedenheit aufgehangen.

11) Oster-Sonntag... Brief an Harleß wegen meines Vorwortes zum Bibelwerk, für welches Harleß mir einiges Material aus den Schriften Luthers zugesagt hat.

12) Oster-Montag. Nachmittags lese ich den Freunden Jäger, Richter, Oehme, Peschel, Gaber meinen Aufsatz vor und sehe bei dieser Gelegenheit den soeben erschienenen neuen Katechismus, welchen Peschel mit Bildern geziert und Harleß mit einem herrlichen Vorwort begleitet hat. In diesem Vorwort giebt Harleß eine Stelle aus Luthers Schriften, die sich über die Bedeutung bildlicher Darstellungen so treffend ausspricht, daß man gar nichts Besseres sagen kann, und die besser, als irgend gedacht werden kann, auch zu meinen Zwecken paßt.

14) Mittwoch... Den Abend bringen wir bei Harleß zu... Für mich war es eine große Freude, daß Harleß meinen Aufsatz, den ich ihm zur Durchsicht zugeschickt, ganz billigte und mir noch einiges Material aus Luthers Schriften zukommen ließ. Zum andern lernten wir heute erst Harleß als Musiker kennen...

15) Donnerstag. Eröffnung der Galerie für das Publikum.

19) Montag. Einweihung und Eröffnung der neuen Elbbrücke, Marien-Brücke genannt. Das Wetter ist so übel (wir haben Schnee und abscheuliche Kälte), daß ich der Feierlichkeit beizuwohnen mich nicht entschließen kann. Die Eröffnung der Bahn und Brücke geschieht durch den König.

Mai.

1) Samstag... Ich spreche bei Gaber vor und finde allerdings, wie ich hoffte, den Probedruck eines neuen Blattes, der mir aber einen sehr ungünstigen Eindruck macht. Es stellt dieses Blatt die Bußpredigt Nathans vor. Geschnitten ist es von Geringswald. Gott weiß, an wem die Schuld liegt, daß es schlecht ausgefallen ist. Bin ich dran schuld oder Geringswald? Dem sei, wie ihm wolle. In der Thatsache, daß das Blatt nicht gut ist, liegt für mich etwas sehr Entmuthigendes und Niederdrückendes. – Auf der Galerie... finde ich ganz unerwartet Dr. Ernst Förster aus München... Abends bin ich infolge Einladung bei Devrient in einer Männergesellschaft (Bendemann, Hübner, Auerbach, Kohl etc.). Unerwartet kommt auch Förster, mit dem ich mich gut unterhalte. Er erzählt mir von Cornelius Erquickliches, von Kaulbach Unerquickliches, von des letzteren Komposition „Künstlerfest“ für die neue Pinakothek. Das streift nicht nur ans Gemeine, sondern ist gemein.

2) Sonntag... Auf dem Kunstverein besehe ich mir den von München her schon bekannten Cyklus Genellis „Das Leben des Wüstlings“, eine großartige Schöpfung. Der Tag vergeht mir sonst unter dem Druck des Gedankens an den mißlungenen Holzschnitt. Ich bin weit entfernt, die Last bloß auf den Holzschneider zu wälzen, fühle im Gegentheil recht lebhaft, daß ich immer noch nicht den richtigen Vortrag im Aufzeichnen mir angeeignet habe. Wie ganz anders sind die Dürerschen Sachen! ob mehr oder weniger gut geschnitten, wird die geistvolle Behandlung immer durchschlagen und erfreuen. Also ich muß es vor allem besser machen lernen. Gelingt mirs besser, so könnte das mit eine Frucht sein des gegenwärtigen Verdrusses und der Verdruß also doch auch wieder zum Besten dienen.

3) Montag... Geringswald bringt mir nun selbst einen Abdruck des von ihm geschnittenen Blattes, das sich jetzt besser ausnimmt, obwohl es immer unbefriedigend bleibt.

4) Dienstag. Direktorialversammlung des Kunstvereins. Genellis Zeichnung wird gekauft...

5) Mittwoch. In einigen Zeilen benachrichtige ich Genelli von dem Ankauf seiner Zeichnung, weil ich weiß, wie sehr ihm daran gelegen ist. Abermaliger Besuch bei Sachße, um seine Zeichnung zu dem landwirthschaftlichen Diplom zu sehen. Das Gebiet, auf welchem Sachßes Talent und Thätigkeit sich erfolgreich entfalten wird, ist nun gefunden. Die Erfassung des wirklichen Lebens in seiner ganzen Ausdehnung und Fülle, in der Gestalt, die es in der Gegenwart angenommen, das ist seine Aufgabe, die er mit dichterischem Geiste, mit Humor und unerschöpflicher Mannigfaltigkeit


  1. Vicepräsident des Appellationsgerichts C. Gust. Müller.
  2. Das Bild ist jetzt mit Nr. 158 und als „eine lesende Heilige“ bezeichnet. Nach der Angabe im Hübnerschen Galerie-Katalog 1856 Nr. 138 wäre dasselbe 1854 aus den Vorrathsbildern entnommen worden.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/212&oldid=- (Version vom 19.5.2024)