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9) Montag... Ich habe wieder einen Akt gestellt. Ich wünschte von dem Gewöhnlichen einmal abzugehen und dem Modell die Lage eines von oben herabgestürzten zu geben. Mein Vorsatz gelang nicht. Ich konnte keine Stellung herausbringen, die hinreichend interessant war und die nöthige Anzahl guter Ansichten darbot. So kam ich wieder auf etwas sehr gewöhnliches zurück.

10) Dienstag... Diesen Morgen wurde der edle Dichter Reinick zur Ruhe bestattet. Ich durfte wegen meines immer noch sehr reizbaren Auges nicht wagen, an den Zug mich anzuschließen.

15) Freitag... Der Bildhauer Herrmann, unser Landsmann, von Rom aus mir bekannt, der lange Zeit in Petersburg gelebt, gearbeitet und, wie es scheint, viel Geld verdient hat, der nun sich wieder nach der Heimath gewendet und zunächst hier sich niederlassen will, macht mir einen Besuch.

22) Sonntag. Mit Regierungsrath Schulz gehe ich nach dem Kunstverein, woselbst von heute an alte Gobelins ausgestellt sind, welche sich unter dem Vorrath der Teppiche, die an Festtagen zum Schmuck der k. Kapelle verwendet werden, vorgefunden haben. Es sind sechs Stück von ungleichem Werth und gewebt nach Vorbildern aus verschiedenen Zeiten. Das vorzüglichste Stück stellt die Kreuzigung dar und trägt entschieden das Gepräge altniederländischer Kunst; obwohl auch hier schon Anklänge an italienische Werke, die in den andern noch stärker hervorklingen, wahrzunehmen sind. Das Gewebe ist überall vorzüglich. Die Goldfäden sind nicht gespart. Die Gegenstände sind sämmtlich den Evangelien entnommen. – Als ich von diesen Teppichen Näheres hörte, hielt ich es für passend und wünschenswerth, daß sie im neuen Museum nebst den Rafaelschen Tapeten aufgestellt würden. ...

26) Donnerstag... Gestern Abend sind wir nun auch mit dem zweiten Band von „Perthes Leben“ zu Ende gekommen. Ich kann nur wiederholen, daß es ein herrliches Buch ist, eines der schönsten, die wir je gelesen haben. Perthes ist ein Mann meines Herzens. Nach allen Seiten des Lebens erscheint er mir als ein Vorbild, des Nachstrebens würdig. Was seine religiösen Ansichten, namentlich seine Ansichten über die Kirche anbelangt, so gehört Perthes zu denen, in welchen der Keim künftiger Vereinigung der getrennten Parteien vorhanden ist. Möge dieser Keim in recht vielen Christen wurzeln und mehr und mehr sich entfalten! Ueber das Maß der Zugeständnisse an die katholische Kirche kann ich mich noch nicht entscheiden. Es gehört außerordentlich viel dazu, einen Ausspruch in diesen Dingen thun zu können mit dem Bewußtsein, sich vollkommen klar zu sein. Mit der kirchlichen Gesinnung, wie sie in Perthes lebt, bin ich aber ganz einverstanden. – Als Deutscher, als deutscher Politiker ist Perthes ganz musterhaft. Er ist ein Vaterlandsfreund im vollen Sinne des Wortes und ein Christ im vollen Sinne des Wortes. Keines hebt bei ihm das andere auf. So soll man denken, so handeln. Hätten wir recht viele Perthes, es müßte überall besser werden. Die unwürdigen Fesseln, in welchen Germania schmachtet, würden brechen müssen. – Gott gebe dem Buch seinen Segen und lasse es einen Samen werden, der in vielen Herzen aufgeht und reiche Früchte bringt!

März.

7) Sonntag... Schwager Blochmann ladet mich ein zu dem Festessen, welches die Gesellschaft Albina heute zur 24. Jahresfeier ihrer Stiftung veranstaltet hat. Es geht ganz munter zu, es wird gut gesprochen und gesungen, gereimtes und ungereimtes Zeug vorgebracht; ich bin aber zu solchen Festlichkeiten nicht geschaffen und ihrer auch entwöhnt, so daß ich doch froh war, als ich mich entfernen konnte. Mein Tischnachbar war Pastor Böttger von St. Anna. Reissiger singt seinen Noah und den Schlossergesellen.

8) Montag... Gaber bringt einen Probedruck des noch nicht ganz vollendeten Stückes „Tobias und Sara“, der ganz vortrefflich ausgefallen ist. Fielen die Blätter alle so aus, so würde ich aufhören zu wünschen, daß das Werk in Kupfer gestochen würde.

11) Donnerstag. Die zweite Zeichnung in meiner Bilderbibel, die ich schon im vorigen Jahr erneuert hatte, ist mir noch immer nicht recht, und ich vollende heute zum dritten Mal das Bild „Es werde eine Veste zwischen den Wassern“.

14) Sonntag... Gegen Mittag gehen wir (Frau und Töchter) mit den Blochmannschen, um die neulich aufgefundenen schönen Teppiche, die im Kunstverein aufgestellt sind, zu betrachten. Die Kreuzigung ist doch wunderbar schön. Man schreibt die Erfindung des Bildes dem Quentin Messis zu. – Nachmittag besuchen mich L. Richter und Peschel, die meine biblischen Zeichnungen sehen wollen. Dem letzteren verehre ich einen Entwurf zu der Darstellung „Wie die Kinder Gottes nach den Töchtern der Menschen schauen“.

17) Mittwoch. Fast den ganzen Tag schreibe ich an meinem Vorwort für das Bibelwerk, auf dessen baldiges Erscheinen Wigand ein Gewicht legt und welches er deshalb bald in seine Hände zu bekommen wünscht. Ich halte den Aufsatz in dem Charakter einer Mittheilung, die an eine im wesentlichen einverstandene Person gerichtet ist. Eine Abhandlung soll und kann nach meinen Kräften der Artikel nicht werden.

20) Samstag... Galerie Kommission... Die Restauratoren sind noch immer beschäftiget mit den Canalettos. Diese Gemälde, großentheils Ansichten von Dresden oder der Umgegend (Pirna) darstellend, werden

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/211&oldid=- (Version vom 19.5.2024)