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hübsch liest und interessant wird durch Nachrichten über viele ausgezeichnete Persönlichkeiten, mit denen die Dame in Verbindung stand. Ich sah sie oft in Rom im Hause der Schlegel. Sie muß eine sehr gute Frau gewesen sein. Für bedeutend kann ich sie nach dem Buche nicht halten.

20) Donnerstag... Ungeheurer Schnee.

21) Freitag. Bußtag. In der vergangenen Nacht hat es noch ununterbrochen geschneit, und viele Straßen und Wege sind völlig ungangbar. Dennoch gelange ich glücklich in die Kirche, woselbst Harleß eine herrliche Predigt hält... Nachmittag hält Devrient in der Blochmann-Bezzenbergerschen Anstalt eine Vorlesung, und zwar liest er diesmal die gewaltige Tragödie des Sophokles „König Oedipus“, eine rechte Bußtags-Tragödie.

28) Freitag. Fortsetzung der Besprechung mit Herrn Wigand. Bestätigung der vorgestrigen Verabredungen. Bearbeitung einer Lieferung mit Gegenständen außer der Reihenfolge. Darstellungen aus Davids Leben in Vorschlag. Vielleicht mit aufzunehmen das Bild von Tobias gottseligem Beginn seines Ehestandes. Diese Lieferung soll zu Ostern ausgegeben werden. Vor ihrer Erscheinung will Wigand keine Unterhandlungen mit Longmans eröffnen. Ich soll mich schriftlich aussprechen über die Bedeutung solch bildlicher Darstellungen der heiligen Geschichten. Wigand hält auch für zweckmäßig, einen schriftlichen Leitfaden zu geben zur Erläuterung der Bilder und namentlich zur Darlegung ihres Zusammenhangs untereinander und des Fortlaufenden in dieser bildlichen Erzählung der Geschichte der Menschheit...

30) Sonntag. Mittags überrascht uns mein alter Freund Oberbaurath Hübsch aus Carlsruhe, von Berlin kommend, wohin er vorzüglich des neuen Opernhauses wegen gegangen ist, weil er in Carlsruhe das neue Theater aufzuführen in Begriff ist. Er bleibt nur bis morgen Mittag. In lebendigem Wechselgespräch vergehen einige Stunden, und wir sehen, daß wir in Kunst und Leben noch auf gleichem Boden stehen. Er brachte mir Grüße von Cornelius, den er sehr gealtert und herabgestimmt gefunden hat. – Abends musikalische Unterhaltung bei Bezzenberger, wie sonst bei Blochmanns, großentheils Produktionen der Zöglinge, unter denen Ludwig durch seinen Gesang doch sich auszeichnet.

Dezember.

1) Montag. Mit Freund Hübsch bringe ich noch in der Galerie und dem Brühlschen Palais eine halbe Stunde zu. Die Gemälde von Canaletto und die Tapeten nach Rafael zogen ihn in das letzterwähnte Gebäude. In Betreff des Octogon in unserem neuen Museum, welchem es ohne Zweifel an gutem Licht gebrechen wird, giebt Hübsch den mir sehr einleuchtenden Rath, die aufsteigenden Mauern der Kuppel mit dicht an einander gereihten Fenstern zu versehen und lieber das Fenster oben zu schließen. Die Aenderung würde allerdings Geld kosten, wir erhielten aber dann ohne Zweifel bei einem besseren Anblick von außen einen im Innern angemessenen Raum für unsern Rafael, für den wir einen anderen, in jeder Beziehung passenden und schicklichen Raum nicht haben. Und können wir die Tribüne für den Rafael und die Correggios nicht verwenden, so wüßte ich überhaupt nicht, was man dahin bringen könnte.

5) Freitag... Mit größester Befriedigung lesen wir jetzt des Abends Heinr. Gelzers „deutsche poetische Literatur seit Klopstock und Lessing“. Vor allem wohlthuend erscheint uns die Behandlung der religiösen Seite der vorgeführten Männer.

7) Sonntag... In dem Buche von Gelzer lesen wir den Abschnitt über Schiller, der köstlich wie alles in dem Buche.

9) Dienstag... Rethels junge Frau erholt sich wieder, nachdem sie ein furchtbares Nervenfieber überstanden hat.

12) Freitag. Conferenz des akademischen Rathes. Wir kaufen drei schöne lebensgroße, in Oel gemalte Studienköpfe von Wichmann als Vorlagen für unsere und die Leipziger Schüler. Dieser Wichmann, wie jener Schurig (bei welchem ein Bild aus der Lindenau-Stiftung bestellt wurde, das nun bereits in unsern Händen sich befindet) malen und zeichnen vortreffliche Studien, bringen aber sehr schwache Bilder hervor; andere, wie Wislicenus, malen wenige und verhältnismäßig geringe Studien, liefern aber treffliche Kompositionen und, was man wenigstens von Wislicenus sagen kann, selbst ihre Malerei hat einen Charakter von Feinheit der Auffassung in Farbe und Modellirung, die jenen ferne liegt. – Abends Vater Richter, seine Tochter Aimée mit ihrem Bräutigam Gaber, Heinr. Richter... bei uns zum Thee.

13) Samstag. Galerie-Kommission. Die Gemälde von Canaletto, Ansichten von Dresden, nach und nach rentoilirt und restaurirt. Es sind herrliche Arbeiten.

14) Sonntag. Wigand sprach den Wunsch gegen mich aus, ich möchte die ihm mündlich mitgetheilten Gedanken über die Stellung der Kunst zur Volksbildung und dem Volksleben (namentlich in Beziehung auf religiöse Darstellungen und zunächst auf unser Bibelunternehmen) niederschreiben und bei einer Ankündigung des Werkes zu seiner Disposition stellen. Da meine Zeichnung für Langer fertig und es so dunkel ist, daß ich mich zum Zeichnen überhaupt nicht aufgelegt fühle, so nehme ich heute die Feder, die sonst nur dem bildlichen Denken diente, in der Absicht zur Hand, jenem Wunsche Wigands zu willfahren. Ich muß nun abwarten, ob es mir gelingen wird, etwas zu sagen, das einer weiteren Mittheilung und Verbreitung werth ist.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/209&oldid=- (Version vom 19.5.2024)