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Gagernscher Partei in schön und treu gezeichneten Porträtgestalten. Diese Herren haben die Arbeit bestellt und es werden drei Blätter, welche auf Stein gezeichnet werden, die ganze Zahl der hieher gehörenden Männer in lebendiger Gruppirung vereinigt umfassen.

11) Donnerstag... Besichtigung eines Bildes von Wegener, darstellend den König und seine Jagdgenossen nach beendigter Jagd im Walde. Die erlegten Thiere sind vortrefflich; den Menschen fehlt es an lebendiger freier Gebärde. Das Gemälde hat der König bestellt.

12) Freitag... Aufgefordert von meiner Schwester Ottilie besuche ich das Atelier des Herrn Biow, Daguerrotypisten, um das Lichtbild ihrer Tochter Ottilie zu besehen. Herr Biow fängt bei dieser Gelegenheit mich ab, und auch ich werde daguerrotypirt. Wie das Bild gelungen ist, werde ich erst in einigen Tagen sehen.

14) Sonntag... Nach einem kleinen Ausgang finde ich die Familie Carl von Raumer und Frau Geheimräthin Steffens nebst Tochter in meinem Hause. Mir geht wieder ein Mal das Herz auf einem echt deutschen Manne gegenüber, einem Manne, der sich selbst in den Freiheitskämpfen hervorgethan und bewährt, der ein Christ vom tüchtigsten Schlage ist, einem Manne, der einen Sohn hat wie den Hanns von Raumer, welcher Letztere, nachdem er einstimmig zum Bürgermeister von Dinkelsbühl erwählt, ebenso als Abgeordneter nach Frankfurt gesendet war, um seinem Vaterlande ganz sich zu weihen in die Reihen der Kämpfer für Schleswig-Holstein als Gemeiner eintritt, woselbst er jetzt als Oberjäger noch verharrt, der Dinge gewärtig, die noch kommen sollen, um dem Lande zu seinem Recht zu verhelfen[1].

15) Montag... Carl von Raumer mit den Seinen auf der Galerie, woselbst wir eine Stunde lang die Bilder miteinander besehen. Raumer ist aus früheren Zeiten mit unserer Galerie sehr genau bekannt. Mittags speisen wir zusammen bei Blochmanns. Zwei Krug’sche Tanten und diese selbst (Krugs[2]) sind zugegen. Es ist ein heiteres, durch Gespräch belebtes Mittagsessen. Nach Tisch kommt Geheimer Rath Weinlig, der in früheren Zeiten, in Erlangen, mit Raumer schon sehr befreundet war, um diesen aufzusuchen. Es entspinnt sich zwischen den beiden ein Gespräch, welches die neuesten politischen Ereignisse in Sachsen und die Zustände und Aussichten unseres Vaterlandes betrifft, das sich bis in die Dämmerung, ja bis in die Dunkelheit des Abends hineinzieht. Wie mir unserm Raumer gegenüber das Herz aufging und ich mit Freuden wahrnehmen konnte, daß ich mit meinen eigenen Meinungen doch nicht so ganz ins Blaue hinein fasele und daß gleich gesinnte und gleich fühlende Männer noch anzutreffen sind, so machte es mir große Freude, zu sehen, wie auch Männer rein praktischer Art, Leute, denen man zugestehen muß, daß sie die Bedürfnisse der Zeit und den Mechanismus der Verwaltung kennen, ganz auf die nämlichen Resultate geführt werden wie diejenigen, die zunächst Kraft und Würde ihres Vaterlandes im Auge haben...

19) Freitag... Abends besuche ich noch den Grafen Bose[3]. Die Lage Deutschlands wird natürlich besprochen. Bose hofft jetzt, daß Oestreich und Preußen sich aufrichtig verständiget haben, daß die Wünsche des deutschen Volks zur Erfüllung gebracht und nun die Bestrebungen der Rothen, weil ohne Unterstützung der Guten und Besseren, ohnmächtig und erfolglos sein werden. Gott gebe, daß dem so sei und so werde. Ich fürchte, wir werden neue und stärkere Ausbrüche des Fiebers als jemals erleben. Die großen Herren sind noch nicht mürbe genug, und die kleinen sind auch noch im Zustand revolutionärer Besessenheit. Gott besser’s, ehe wir gar zu Grunde gehen.

20) Samstag. Bei meinem Gang nach dem Atelier[4] finde ich auf der Terrasse Carl Piloty aus München, meinen ehemaligen Schüler, den Schulkameraden meines Carl. Ich nehme ihn später mit nach der Galerie, woselbst heute die Kommission sich versammelt. Quandt[5] stellt den seltsamen, von einem nüchternen Justizmann ausgeheckten Satz auf, daß ein Gemälde hinsichtlich seines Geldwerthes nach der Zeit, die zur Ausführung erforderlich, und der von dem Künstler während dieser Zeit zu verzehrenden Summe beurtheilt werden müsse. Es wäre völlig unerklärlich, wie ein geistreicher, sonst vernünftiger Mann solch eine Aufstellung machen könne, wenn die Veranlassung dazu nicht einen Fingerzeig gäbe. Es handelt sich nämlich um eine Schätzung des gestohlenen Bildes, und die Schätzung hat Einfluß auf die Bestimmung des Strafmaßes


  1. Hans von Raumer wurde im Juni 1850 Lieutenant im I. Schleswig-Holsteinischen Jägerkorps, im Juli Adjutant bei dem kommandirenden General von Willisen und dann bei von der Horst. Aus dem Felde zurückgekehrt starb er am 27. März 1851 dreißig Jahre alt an einer Krankheit. Seinen berühmten Vater charakterisirt als Patrioten das prophetisch klingende Wort, mit dem er seine 1850 erschienenen „Erinnerungen aus den Jahren 1813 und 1814“ schließt: „Wie Gott nach sieben schmachvollen Jahren, welche der Schlacht von Jena folgten, Helden und Heerscharen erweckte, so möge er, wenn wir mit heilgem Ernst die Sünden der elend verdämmerten und mißbrauchten langen Friedensjahre erkannt und abgebüßt, dem Vaterlande neue Helden und Heerscharen schenken und nach neuen Siegen eine ehrenfeste Friedenszeit in Einigkeit und durch Einigkeit eine Macht, die nur Gott fürchtet, nicht aber Menschen“.
  2. Die Familie des Oberappellationsrathes August Otto Krug, dessen Gattin eine jüngere Schwester Schnorrs war.
  3. Graf August Carl Bose, königl. sächsischer Hofmarschall a. D.
  4. Dasselbe befand sich in dem sogenannten Doublettensaale auf der Brühlschen Terrasse.
  5. Der bekannte Kunstfreund und Besitzer der Rittergüter Eschdorf und Dittersbach, Mitglied des akademischen Rathes.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/181&oldid=- (Version vom 18.5.2024)