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Palais beschreibt er ausführlich. Ebenso hält sich auch Weinart in seiner Topographie (1777) lange bei dem Palais auf. – Eine Abbildung findet sich in den Prospekten Schlitterlaus.

Das Vorwerk mit Gebäuden und Feldern, sowie das noch einige Zeit weiter blühende Wirthshaus wurden verpachtet. Dieses Verhältniß hat bis in die neuere Zeit fortbestanden.

Am 30. Januar 1770 nahm der Chevalier seinen Abschied. Seine Stimmung war immer trüber und melancholischer geworden. Nun ihn keine amtlichen und geselligen Pflichten mehr an die Stadt fesselten, überließ er sein Palais am Zeughaus dem Herzog von Kurland und siedelte ganz in sein Gartengrundstück über, wo er schon bisher oft und gern geweilt hatte und wo er nunmehr ganz der Ruhe, der Einsamkeit und seinen Liebhabereien lebte. Eine treffliche Bibliothek und eine werthvolle Militärkarten- und Plansammlung boten seinem Geist Beschäftigung und Unterhaltung. Trotz seiner Zurückgezogenheit aber umgab er sich, wie er gewohnt war, mit einem förmlichen Hofstaat, von seinen Generaladjutanten, den Oberstlieutenants von Sydow und von Dürrfeld, an bis hinab zum Lakaien. Der gesammte Haushalt war kostbar und durchweg im Stil eines Grandseigneurs eingerichtet. Aber nur wenige Jahre genoß er die ersehnte Ruhe und Muße in seiner selbstgeschaffenen Einsamkeit: am 25. Februar 1774 verschied er im Alter von 70 Jahren. Die Leipziger Zeitung zeigte amtlich an, daß „Seine Durchlaucht der Prinz Chevalier de Saxe“ verstorben sei. Der menschenscheue Einsiedler, schon bei Lebzeiten vom Reiz des Geheimnisvollen umsponnen, lebte auch nach dem Tode in der abergläubischen Einbildungskraft der Menge fort. Noch in späterer Zeit erzählte eine Dame, daß ihr beim Lustwandeln in den einsamen Gängen des Gartens plötzlich eine geharnischte Gestalt entgegengetreten sei, in der sie den Chevalier erkannt zu haben meinte.

Der Verblichene hinterließ ein Testament, in dem er seine Halbschwester, die Gräfin Mosczynska, geborene Gräfin Cosel, zur Universalerbin einsetzte, ihr aber die Verpflichtung auferlegte, den Garten mit dem Palais nach einander dem Kurfürsten und dem Prinzen Karl für 15 000 Thaler zum Kauf anzubieten und erst für den Fall der Ablehnung den Garten selbst zu behalten, jedoch gegen Erlegung eines Kapitals von 10 000 Thalern zur Abstoßung der Schulden. Sofort nach der Eröffnung des Testaments wurde es vom Malteserorden, dem der Chevalier seit 1728 angehört hatte, auf Grund der Ordensprivilegien angefochten. Es kam zum Prozeß, den die Leipziger Juristenfakultät zu Gunsten des Ordens entschied. Es war freilich kein sehr begehrenswerthes Erbe. Der Chevalier hatte in seinem Testament seine Schulden bedeutend unterschätzt; sie beliefen sich auf ungefähr 36 000 Thaler und zwar gingen sie größtentheils auf den Erwerb des Gartens und die Erbauung des Palais zurück. Ueber den Nachlaß wurde der Konkurs verhängt, der für die Gläubiger 80 Prozent ergab. Dem Orden verblieben nach der im Jahre 1776 erfolgten Abwickelung des Verfahrens außer dem Grundstück nicht ganz 5000 Thaler. – Am 27. März 1778 verkaufte der Malteserorden durch seinen Kommendator, den Kabinetsminister Freiherrn von Forell, das Palais mit Garten und Vorwerk für den niedrigen Preis von 12 000 Thalern an die Kurfürstin-Mutter Maria Antonia Walpurgis.

Die Kurfürstin ließ 1779 in einem schattigen Theil des Gartens eine sogenannte „Eremitage“ erbauen. Darin befanden sich nebst mehreren Nebenräumen ein mit Fresken geschmücktes Wohnzimmer und eine Hauskapelle. Nicht weit davon war eine geräumige Volière, mit Hunderten von Vögeln bevölkert. – Das Erbrecht auf das Grundstück übertrug sie ihrem Lieblingssohne Karl, dem nächstältesten Bruder Kurfürst Friedrich Augusts III. Er trat den Besitz nach dem am 23. April 1780 erfolgten Tod der Mutter an.

Auch noch in anderer Weise hatte Maria Antonia für den Prinzen Karl gesorgt. In einem Vertrag vom 6. Oktober 1776 hatte sie ihre Ansprüche auf das Allodialerbe des kurbairischen Hauses, dessen Haupt, der Kurfürst Max Joseph, ihr Bruder, keine männlichen Erben hatte, an ihren Sohn Kurfürst Friedrich August III. abgetreten, sich aber als Gegenleistung die Bezahlung ihrer Schulden und die Errichtung einer Sekundogenitur, die zunächst ihrem zweiten Sohne Karl zu Gute kam, ausbedungen. Im Dezember 1777 starb der bairische Kurfürst. Im Frieden zu Teschen vom 13. Mai 1779, der den unblutigen bairischen Erbfolgekrieg beendigte, erhielt der Kurfürst von Sachsen für seine Erbansprüche sechs Millionen Gulden. Dem Vertrag mit seiner Mutter nachkommend, errichtete nun der Kurfürst durch ein Abkommen vom Jahre 1781 eine Sekundogenitur für die nachgeborene Descendenz der Stifterin. Diese Stiftung begreift eine aus der Staatskasse zu zahlende Jahresrente von 85 000 Thalern. Der erste Inhaber der Sekundogenitur war Prinz Karl. Nach seinem Tod, der schon am 8. September 1781 eintrat, ward der Zinzendorff’sche Garten mit dem Palais zur Sekundogenitur geschlagen. – Die Sekundogenitur, die auch in das königlich sächsische Hausgesetz vom 30. Dezember 1837, im sechsten Abschnitt, Aufnahme fand, vererbt sich in der Linie des zweiten Prinzen des Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt weiter und fällt, wenn der Inhaber zum Thron gelangt, wieder mit Ausschluß des Thronfolgers an den nächstältesten Prinzen. Der Inhaber hat aus der Sekundogenitur den Unterhalt seines Stammes

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1892–1896, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Erster_Band.pdf/173&oldid=- (Version vom 30.4.2024)