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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder

Kalmücken, Russen und Litthauer suchten hier ihre Zuflucht.

Aus all diesen verschiedenartigen Elementen bildete sich ein großes Ganze, welches sich späterhin in zwei Zweige theilte: in den des Don, und den des Dniepr. In dem ersten war das asiatische Element vorherrschend; der zweite war mehr slavischer Natur.

Aus dem Vorhergehenden lassen sich alle so auffallenden Verschiedenheiten in Charakter und Sitten erklären. Und doch nahmen alle diese verschiedenen Stämme die russische Sprache und die Religion der griechisch-katholischen Kirche an! Der Grund dieser merkwürdigen Erscheinung ist leicht zu finden. Von jeher war Kiew allen andern russischen Fürstenthümern an Bildung überlegen; die von dort aus in großer Menge dem Joche der Tartaren entschlüpften Flüchtlinge mußten natürlicherweise einen mächtigen Einfluß auf ihre rohern Waffenbrüder ausüben; zudem ward der christliche Glaube Allen zum Unterpfand gemeinsamen Hasses gegen ihre Unterdrücker. Alle legten sich den Namen Kosack bei; ein Wort, welches noch heutiges Tages einen unabhängigen Krieger bezeichnet.

So ward die Nothwendigkeit der Besiegten, ihr Leben durch die Flucht in entfernte Gegenden vor der Gewalt der Sieger zu wahren, die Ursache der Entstehung des Volks der Kosacken.

Der Trieb sich zu rächen und ihre Unabhängigkeit zu befestigen, war das natürliche Resultat einer so mühevoll errungenen Sicherheit.

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Friedrich von Bodenstedt: Die poetische Ukraine. Eine Sammlung kleinrussischer Volkslieder. J. G. Cotta, Stuttgart u. Tübingen 1845, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_poetische_Ukraine_(1845).pdf/28&oldid=- (Version vom 19.12.2022)