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Zeit an bis zum Jahre 1478 ist es uns vergönnt, seine Fortschritte fast von Jahr zu Jahr zu verfolgen. Seine italienische Natur bricht nach und nach die vlämische Schaale durch, in die sein erster Lehrmeister sowohl seine Hand wie seinen Geist eingeschlossen hatte; aus seinem Porträt vom Jahre 1475 im Louvre und jenem von 1476 im Hause Trivulzio zu Mailand blickt schon ganz und gar der Sohn des Südens heraus, während uns das Bildniß (No. 18) in der Berliner Galerie vom Jahre 1478 den zum Venezianer modifizirten Sicilianer vorführt. Hat nun an dieser künstlerischen Aus- und Umbildung Antonello’s von allen Malern Venedigs augenscheinlich Giovan Bellini den größten Antheil gehabt, so hatten wir andererseits schon bei Betrachtung seines h. Sebastianus in der Dresdner Galerie Gelegenheit zu bemerken, daß auch die Wandgemälde Mantegna’s in Padua nicht ohne Einfluß auf seinen Bildungsgang geblieben sind[1].

Aus dem Gesagten dürfen wir somit den Schluß ziehen, daß Antonello erst in Venedig sich zum Künstler ausbildete, was doch schwerlich stattgehabt hätte, wäre er in einem Alter von acht- oder neunundfünfzig Jahren dahin gekommen. Noch will ich bemerken, daß Scardeone in seinen „Antiquitates patavienses“ erzählt, der Paduanische Bildhauer Andrea Riccio (um 1440 geboren)


  1. Eine von der unsrigen ganz abweichende Ansicht über Antonello’s Bedeutung in der italienischen Kunstentwicklung bekundete unter den ernsteren Forschern auch der berühmte Baron von Rumohr. „Neben den schönen van Eyck’s“ bemerkt er in seiner Schrift: Drei Reisen in Italien, „hat das Berliner Museum drei Antonello da Messina. Hiedurch erhielt die Berliner Galerie den einzigen, allein dastehenden Vorzug, auf eine schlagende Weise zeigen zu können, daß jene venezianische Schule, welche man gemeiniglich schlechthin die venezianische zu nennen pflegt, ich meine diejenige, welche von Antonello auf die Bellini und weiter hin sich fortgepflanzt hat, sowohl die Technik der Oelmalerei, als besonders ihre naturalistische Richtung, beide von den alten Niederländern empfangen hat.“
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/445&oldid=- (Version vom 31.7.2018)