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des Vaters mag allerdings Granacci, der Lieblingsschüler des Domenico, den Ridolfo weiter unterrichtet haben, wovon uns mehr als Worte zwei Täfelchen, jedes mit drei anbetenden Engeln, überzeugen dürften. Diese zwei Bilder befinden sich im Saale der s. g. kleinen Bilder der Akademie von Florenz unter dem Namen des Granacci. Außer Granacci muß auch Pier di Cosimo Einfluß auf die künstlerische Bildung Ridolfo’s gehabt haben. Die Landschaften auf den Bildern aus der Frühzeit des letztern sind durchaus denen des Pier di Cosimo nachgebildet.

Als aber im Jahre 1503 Lionardo da Vinci nach Florenz kam und sich daselbst niederließ, wirkte gewiß kein anderer so sehr wie dieser auf die Ausbildung des zwanzigjährigen Ridolfo. In diese Lionardische Epoche unsers Künstlers setze ich unter andern folgende Gemälde, in denen insgesammt der Einfluß Lionardo’s mehr oder minder sichtbar ist. Sie befinden sich ausnahmslos noch in Florenz und sind daher jedem leicht zugänglich.

1) Die „Verkündigung“ (No. 1288), in der Uffizigalerie. Dies Bild kam aus der Sakristei der Klosterkirche von Montoliveto (bei Florenz) vor wenigen Jahren unter dem Namen des Ghirlandajo in die Uffizigalerie und wurde sodann von den damaligen Direktoren der Galerie, den Herren Gotti und Campana, wenn auch nur dubitative dem großen Lionardo da Vinci zugeschrieben. Schon die im Bilde angebrachte steinerne Graburne, wie man sie in Domenico’s Bildern nicht selten antrifft, hätte die Herren vor einer solchen Taufe stutzig machen sollen. Die Form der Hände, besonders der langen Finger mit den häßlichen Nägeln an denselben, erinnern freilich gar sehr an die Hände des kleinen Porträts eines Goldschmiedes (No. 207 im Palazzo Pitti). Ist aber, so müssen wir hier fragen, dieses Bildniß wirklich das Werk Lionardo’s, wie der Katalog des Herrn Chiavacci uns glauben machen möchte, oder ist es nicht vielmehr ein Jugendwerk unser’s Ridolfo del Ghirlandajo? Trotz der Uebermalung und dem

Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/402&oldid=- (Version vom 31.7.2018)