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und, was mir zur größern Genugthuung gereicht, selbst die des Pinturicchio gewahrten, welch’ letztern Meister die Historiographen übrigens, auch hierin leider den andern Fachgenossen folgend, bloß als einen untergeordneten Gehülfen des Perugino ansehen und gelten lassen wollen (III, 178, 179 und 183[1]).

Vasari erzählt uns im Leben des P. Perugino auf eine etwas verworrene Weise, dieser Maler hätte in der Sixtinischen Kapelle folgende Malereien ausgeführt: Die „Verleihung der Schlüssel“, und zwar gemeinschaftlich mit Don Bartolommeo della Gatta; die „Geburt“ und die „Taufe Christi“; die „Findung Mosis“ und als Mittelbild die „Himmelfahrt der Maria“, auf welch letzterem Gemälde er das Bildniß des Papstes Sixtus IV. angebracht habe. Drei von diesen Fresken, nämlich die Geburt Christi, die Findung Mosis und das große Mittelbild mit der Himmelfahrt der Maria, mußten später dem jüngsten Gericht von Michelangelo Platz machen. Es blieben uns also von den vom Vasari dem Perugino zugeschriebenen fünf Bildern in dieser Kapelle nur die „Verleihung der Schlüssel“ und die „Taufe Christi“. Von dem andern Freskobilde, das die „Reise Mosis“ darstellt, und welches von der neuern Forschung ebenfalls als Werk des Perugino bestimmt wurde, sagt Vasari kein Wort.

Bevor wir nun diese zwei Fresken einer nähern Betrachtung


  1. Das einzige Werk des Perugino, das in der Cappella Sistina, meiner Ansicht nach, noch stehen blieb, ist die „Verleihung der Schlüssel“, und in diesem herrlichen, wahrhaft reifen Bilde ist’s mir unmöglich, eine fremde Hand wahrzunehmen. Die Cooperation des Don Bartolommeo della Gatta, hat sie wirklich statt gehabt, könnte daher möglicherweise am einen oder andern der zu Grunde gegangenen Wandgemälde des Perugino stattgefunden haben. In der Freske seines Lehrers Signorelli: „Moses, der sein Testament den Israeliten vorliest und ihnen sodann den Segen ertheilt“, dürfte dagegen, wie mir scheint, Don Bartolommeo großen Antheil gehabt haben. Vasari hat höchst wahrscheinlich den Signorelli mit dem Perugino verwechselt.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/324&oldid=- (Version vom 31.7.2018)