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das jüngst erworbene, mit der Nummer 2389 bezeichnete Gemälde. Betrachten wir diese Werke der Reihe nach.

No. 218 stellt den Jacob dar, welcher die Rahel, grüßt und umarmt. Ich kenne kein Bild des Palma vecchio, aus dem der Meister so liebenswürdig, so heiter, so poetisch gestimmt uns entgegentritt, wie aus diesem reizenden Idyllenbilde; denn daß es sein Werk sei, dafür spricht die stramme, etwas schwerfällige Figur der Rahel, dafür sprechen die dem Palma in seiner dritten oder „blonden“ Manier (1520–1525) eigenthümlichen rosigen Fleischtöne, so wie selbst der Gesichtstypus der Rahel, welcher mit dem seiner Venus in dieser Galerie (No. 244) übereinstimmt. In Palma’s Art ist ebenfalls der sitzende Hirt gezeichnet und gemalt, dessen Ohrform allein schon den Meister verriethe. Betrachten wir andererseits die wunderherrliche, breit behandelte Landschaft mit der Viehheerde, eine Landschaft, wie sie zu jener Zeit kein Niederländer so trefflich zu malen im Stande gewesen wäre, so können wir nicht umhin, eine freiere, jüngere Hand als die des Bergamasken darin wahrzunehmen und zwar die seines talentvollen Schülers, des Bonifazio Veronese. Es kommt mir daher vor, als ob an der Ausführung dieses reizenden Bildes vielleicht auch Bonifazio einigen Antheil gehabt haben dürfte[1].

Schon die Herren Cr. und Cav. bemerkten mit gewohntem Scharfsinne, daß viele Figuren in diesem Bilde, zumal die des Jacob und der Rahel, an die Hirten der bergamaskischen Hochthäler erinnern, und daß ihre Bewegungen


  1. Ueber dies Bild siehe: M. A. Gualandi a. a. O. III, 179–194. Matteo del Teglia, Bilderagent des Großherzogs von Toskana zu Venedig, empfiehlt seinem Gönner in einem Avise vom 22. Juli 1684 den Ankauf dieses Gemäldes. Das Bild befand sich damals in einem Nonnenkloster von Treviso und galt als Werk Giorgione’s. Die bedeutungsvollen Initialen G. B. F. werden in dem Brief Teglia’s nicht erwähnt. Es scheint daher, daß dieselben erst später aufgesetzt worden sind, als nämlich das Bild in Privathände gerieth.
Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/199&oldid=- (Version vom 31.7.2018)