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Walther Kabel: Die Tiere im Volksglauben. In: Bibliothek für Alle, 4. Jahrgang, 7. Bd., S. 88–91

im Anzuge sei. Eine Braut, die für ihren Hochzeitstag gutes Wetter ersehnt, soll die Katzen besonders gut füttern. An die von den Vorfahren so hochgehaltene Gastfreundschaft klingt der Glaube an, daß das „Putzen“ der Katze Gäste ankünde. Die Waldenser sollen einst eine Katze göttlich verehrt haben. Deshalb wurden Glaubensabtrünnige „Kätzer“ genannt, das zu „Ketzer“ wurde.

Die Mäuse gelten im Volksmunde als Rächer von Vergehen; wie in der Sage des Bischofs Hatto von Mainz, der des Kornwuchers halber von den Mäusen verfolgt wurde. Das Erscheinen vieler Mäuse soll Krieg, Wandermäuse nahende Heereshaufen verkünden. Da der Volksgeist in der Vorzeit Übernatürliches nicht begriff, wurde in jenen fernen Tagen vielfach in Symbolen gesprochen und die Mäuse häufig mit den Seelen der Verstorbenen verglichen. Die heilige Gertrud – die Schutzpatronin der Seelen – wird deshalb stets mit einer Maus in der Hand dargestellt. So ist auch der Rattenfänger von Hameln mit dem Gott der Unterwelt identisch, der, als er um seinen Lohn betrogen wurde, die Seelen der Kinder von dannen rief. Da im Mittelalter Maulwurf und Kaninchen mit den Mäusen identifiziert wurden, sind einzelne Sagen von diesen verschiedenen Tieren gleich.

Wie der Rabe, des nordischen Gottes Odin Begleiter, den Helden einst den Tod verkündete, sollen noch heute Raben das Gehöft dessen umflattern, dessen Lebenslicht am Erlöschen ist.

Die Elster gilt, wie einst, noch jetzt als wetterkundig. In einzelnen Gegenden herrscht der Glaube, daß, solange die Elster ihr dunkles Gewand trägt, alle Helden in der Unterwelt schlummern, wie Kaiser Rotbart, Kaiser Karl, der britische Sagenheld Artur usw. Dieser Glaube datiert daher, daß die dunkle Farbe Todesfarbe war. Erst wenn die Elster ein weißes Gefieder anlegt, ruft der Völkerfrühling die Helden zu neuem Leben.

Der Hahn war das gebräuchlichste Opfertier der Altvordern. Er wurde besonders in nördlichen Gegenden dem Gotte Donar geopfert, dem Blitz und Donner untertan waren. Scheinbar leitet sich hiervon die Redensart ab: „Jemand den roten Hahn aufs Dach setzen.“ Die Wenden bestätigten ihren Heidenglauben dadurch,

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Die Tiere im Volksglauben. In: Bibliothek für Alle, 4. Jahrgang, 7. Bd., S. 88–91. Verlag der Bibliothek für Alle, Dresden 1912, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Tiere_im_Volksglauben.pdf/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)