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Reinh. Diesmal habe ich eine wichtigere Verrichtung.

M. Ehrenpr. Apropos! Sie haben wohl die heutige Zeitung nicht gelesen?

Reinh. Oa ja! Sie enthält nichts Neues.

M. Ehrenpr. Nicht? Sie kommen also vermuthlich heute Mittag nicht zu Ihrem Herrn Vater?

Reinh. O freylich! Und ich hoffe die Ehre zu haben, Sie und Ihre Demoiselle Tochter dort zu sehen.

M. Ehrenpr. Sie werden sich also vermuthlich vor Tische noch umkleiden?

Reinh. Ich glaube so anständig gekleidet zu seyn, daß es dessen nicht bedarf.

M. Ehrenpr. Also wissen Sie wohl nicht, daß man heute Hoftrauer angelegt hat?

Reinh. Ich weiß es recht gut. Allein ich weiß auch, daß ich ein Bürger und kein Hofmann bin, und daß meine Kleidung bloß von meiner Laune abhängt.

M. Ehrenpr. Allein ein angesessener Bürger in Berlin ist ein Mann von Stand.

Reinh. Mein Stand ist der Stand eines ehrlichen Mannes; und der bin ich nicht, wenn ich mir einen Rang erlüge, den ich nicht wirklich besitze, der mir keine wahre Achtung verschaft. Der eingebildeten Ehre bedarf ich nicht.

M. Ehrenpr. Sehen Sie denn eine Ehre darin, sich vor allen andern Menschen auszuzeichnen? Und

Empfohlene Zitierweise:
Peter Andreas Heiberg: Die Hoftrauer, oder das Testament. Ein Lustspiel in einem Aufzuge. Orell, Geßner, Füßli und Comp., Zürich 1795, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Hoftrauer,_oder_das_Testament.pdf/27&oldid=- (Version vom 11.9.2022)