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zweites Treffen ins Feuer; seine Reiter fielen dem Feinde in die Flanke, und als dieser zu weichen begann, drangen die Grenadiere vor und erstürmten die Batterien des türkischen Centrums. Das entschied den glänzenden Sieg der Oesterreicher; die Türken hatten 20000 Mann, 800 Geschütze und 51 Fahnen verloren; am nächsten Tage mußte die Festung Belgrad kapitulieren und zum zweitenmal zog Prinz Eugen als Sieger in ihre Thore ein.      


Liebeswerben. (Zu dem Bilde S. 449.) Wie die frische, herrliche Bergwelt die Brust freier und den Sinn fröhlicher macht, so äußert sich bei den Gebirgsbewohnern das Erwachen der Liebe in anderer Form als bei der Mehrzahl der übrigen Volksstämme. Selten giebt der Bursche dem geliebten Mädchen seine Liebe durch schwärmerische Blicke und zärtliches Hinschmachten kund. – „Miadei, magst mi?“ oder „Lenei, i hab’ di gern, magst du mi aa?“ etc. – Da sind die ungefähren Einleitungsreden zu einem Liebesverhältnis. Wenn der Bursche, was hier nicht selten ist, die landesübliche Zither oder „Klampern“, wie der Volksmund dieses Instrument bezeichnet, zu meistern versteht, so muß wohl sie als Vermittlerin seiner Gefühle eintreten, indem er seiner Erwählten deren Lieblingsweisen vorspielt oder gleich direkt in „Schnadahüpfln“ seine Liebe erklärt. Freilich kommt es oft vor, daß hierdurch die Eifersucht eines Nebenbuhlers geweckt wird und ernste Scenen den jungen Liebeshimmel trüben. Allein wer denkt in seiner Herzenswonne ein solche Folgen. Das Bild von Ad. Müller-Grantzow führt uns ein solches „Liebeswerben“ in naturwahrer Treue vor Augen.

Der schmucke Bursche erklärt seiner Auserwählten singend seine Gefühle, und es muß wohl in einer Weise geschehen, die für alle im Zimmer Anwesenden von Interesse ist und den alten „Loder“ sogar zu einem „Schuahplattler“ hinreißt. Auch das hübsche, frische Mädchen, dem die Werbung gilt, scheint von seinen Worten befriedigt, und so wollen wir wünschen, daß aus diesen beiden „ein fesches Paar“ wird und das „Liebeswerben“ auf dem Standesamt seinen Abschluß finden möge. P. Auzinger.     


Deutschlands merkwürdige Bäume: die Große Linde von Augustusburg.
Nach einer photographischen Aufnahme von Oberförster G. Mühlmann.

Deutschlands merkwürdige Bäume: die Große Linde von Augustusburg. (Zu dem obenstehenden Bilde.) Einer der ältesten und merkwürdigsten Bäume unseres deutschen Vaterlandes ist „die Große Linde“ des Schlosses Augustusburg im Königreich Sachsen. Hat doch dieser altehrwürdige Baum die sächsischen Fürstengeschlechter der letzten fünf Jahrhunderte in das Schloß, dessen Wahrzeichen er ist, einziehen sehen. Ursprünglich als Jagd- und Lustschloß erbaut, erhebt sich die Augustusburg mit ihren gewaltigen Mauern und Türmen auf dem 515 m hohen Schellenberg über dem Städtchen, das bis vor kurzem den Namen Schellenberg führte, jetzt aber auch Augustusburg heißt; sie gewährt eine umfassende herrliche Rundsicht über Sachsens Gefilde. An Stelle des jetzigen Schlosses stand früher das alte Schloß „Schellenberg“, das der Sage nach unter Karl dem Großen, wahrscheinlich jedoch unter Kaiser Heinrich I zum Schutze gegen räuberische Einfälle der Sorbenwenden errichtet wurde. Ein Blitzschlag steckte es am 27. April 1547 in Brand und legte es zum größten Teil in Trümmer. Der Neubau wurde im Auftrag des Kurfürsten August I in den Jahren 1568 bis 1572 durch den kurfürstlichen Baumeister und Bürgermeister in Leipzig Hieronymus Lotter ausgeführt.

Innerhalb der Umwallung dieses Schlosses, nahe der nordöstlichen Ecke desselben, steht unsere Linde. Sie war, den Chronisten nach, bereits im Jahre 1421 unter Friedrich dem Streitbaren gepflanzt worden und schon 1568 beim Bau des Schlosses wegen ihrer Größe ein Gegenstand der Bewunderung. 1549 wurden ihre mächtigen, in fast horizontaler Richtung wachsenden Aeste zum erstenmal gestützt. 1556 ließ sie Kurfürst Moritz durch seinen Hofsteinmetzmeister Hans Kramer zum zweitenmal stützen, wobei 80 Stämme zur Verwendung kamen. Eine dritte Stützung erfolgte im Jahre 1577 auf Befehl des Kurfürsten August nach Plänen von Paul Büchner durch Hans Irmisch, und eine vierte im Jahre 1644. Um den hohl werdenden Stamm vor Regenwasser zu schützen, versah man ihn 1669 mit einer kupfernen Haube. 1720 betrug der Umfang der Baumkrone 198 Ellen, er verringerte sich aber später durch Dürrwerden der Aeste von den Spitzen aus. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden die jeweilig faul gewordenen Teile des hölzernen Unterstützungsrostes nach Erfordernis durch neues Holzwerk ersetzt. Der Rost selbst ruhte auf Säulen, die aus Ziegelsteinen aufgemauert waren. Ein Wirbelsturm hat jedoch am 22. Mai 1891 die Ziegelsteinsäulen zerstört und leider auch einige Hauptäste der Linde abgebrochen. Nach diesem Unwetter wurde der Rost auf Antrag des Forstrentamtes zu Augustusburg, unter dessen Verwaltung die Linde jetzt steht, durch das Landbauamt Chemnitz erneuert, und es traten gleichzeitig an Stelle der Säulen starke Holzstempel. Auch die kupferne Haube ersetzte man in dem zuletzt genannten Jahre durch eine neue von gleichem Metall. Im Frühjahr 1897 wurden die von den Hauptästen emporgewachsenen Schößlinge zurückgeschnitten, weil zu befürchten war, daß der Stamm, der innen ganz hohl ist und nicht weniger als neun Zerklüftungen zeigt, durch Sturmesgewalt vollends auseinandergerissen werden könnte. Gegenwärtig beträgt die Höhe des Stammes von der Umfassungsmauer bis zur Haube 2,60 m, der Umfang des Stammes in halber Höhe, wo sich die schwächste Stelle befindet, 9 m, die Spannweite der Aeste, rechtwinkelig im Durchmesser der Baumkrone gemessen, 17,60 und 16,80 m.

Möge diese volkstümliche Linde noch lange zu den Sehenswürdigkeiten der Augustusburg zählen und noch viele Jahre sich in frisches Grün kleiden! Was zu ihrer Pflege gethan werden kann, läßt sich die jetzige Schloßverwaltung angelegen sein. G. Mühlmann.     

Edelhirsche. (Zu unserer Kunstbeilage.) Ein prächtiges Tieridyll hat Meister L. Voltz in seinem Bilde geschaffen. Da sehen wir den König des Hochwaldes mit seinem Gefolge inmitten einer majestätischen Alpenlandschaft. Fernab von der vielbegangenen Straße muß man im Gebirgswalde wandern, um solche Bilder schauen zu können, in einsame Reviere eindringen, in denen nur das Rauschen der Baumwipfel und leiser Vogelruf unser Ohr trifft. Ist uns das Glück hold, dann können wir hier das Leben der großen Waldtiere belauschen, und unvergeßlich bleiben uns die Eindrücke, die wir sammeln. Was ist wohl schöner und herrlicher, die gewaltigen Berge, die ihre Zinnen in dem stillen Seewasser spiegeln, oder der kraftvolle Edelhirsch, der hoch sein stolzes Geweih trägt? Wunderwerke der Natur sind sie beide und darum passen sie so herrlich im Bilde zusammen. *     



Im nächsten Halbheft beginnt E. Werners humoristische Erzählung „Der Lebensquell“ zu erscheinen. Von J. C. Heer, dem jungen schweizer Dichter, der mit seinem fesselnden als Buch erschienenen Roman „An heiligen Wassern“ so berechtigtes Aufsehen erregt hat, wird unter dem Titel „Der König der Bernina“ eine tief ergreifende Erzählung aus dem Engadin von eigentümlich poetischem Zauber folgen.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart.0 Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0452.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)