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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Equipagen und Droschken schließen sich ihnen an. Es ist immer so eine Art kleinen Volksfestes mit „fliegenden“ Budikern und Wursthändlern dort draußen auf dem Tempelhofer Feld. Dieses ist seit Jahren der Paradeplatz der Berliner Garnison. In weiter Fläche dehnt es sich zwischen Schöneberg und „Am Urban“, zwischen Berlin SW und Rixdorf und Tempelhof aus. Die Anfahrt zum Halteplatz der Equipagen, von dem man das glänzende Schauspiel der Parade bequem überblicken kann, ist nur für Inhaber von Passierscheinen gestattet, die das Polizeipräsidium ausgiebt und welche die Kutscher sichtbar am Hut zu tragen haben. So kommen sie denn heran, die Glücklichen, die eine solche Karte erlangt haben, in Gefährten aller Art, in hocheleganten und talmifeinen aus den Remisen der Wagenverleiher, in Landauern und Viktorias, in Dogcarts und Mailcoaches. Berittene Schutzleute sorgen dafür, daß jedes seinen Platz erhält und daß Unglücksfälle möglichst vermieden werden. Dem alten Herrn im Mittelpunkt unseres Bildes laufen die beiden Schimmel, welche seine liebliche Tochter lenkt, augenscheinlich nicht schnell genug. Die hinter ihm sitzende Dame macht ihn darauf aufmerksam, daß soeben der Kaiser an der großen Pappel zu Pferde gestiegen ist und die Front seiner Truppen entlang sprengt, ihnen seinen „Guten Morgen“ entbietend. Der Herr im Wagen hat den Feldstecher herausgenommen und beobachtet mit gespannter Aufmerksamkeit das farbenprächtige Schauspiel. Gewöhnlich fährt der Kaiser, von Potsdam kommend, bis zum Bahnhof Groß-Görschenstraße. Hier verläßt er mit der Kaiserin den Zug und die Majestäten besteigen die Pferde. Ist die Parade dann zu Ende und die Kritik vorbei, so setzt sich der Kaiser an die Spitze der Fahnenkompagnie und führt unter den schmetternden Klängen altpreußischer Märsche und Fanfaren die alten ruhmbedeckten Feldzeichen seiner Garden selbst ins Schloß zurück.

Der Bismarckturm bei Rudolstadt.
Nach einer Photographie von L. Kaysser in Rudolstadt.

Der Bismarckturm auf dem Zeigerheimer Berge bei Rudolstadt. (Mit Abbildung.) Die Anregung der deutschen Studentenschaft, überall im Reiche Feuersäulen zu Ehren Bismarcks zu errichten, wurde von den Mitgliedern des Vereines „Rudolstädter Abend“ in Rudolstadt (Thüringen) mit Begeisterung aufgenommen. Ende vorigen Jahres faßte der Verein den Beschluß, den Gedanken baldigst aus eigenen Mitteln zu verwirklichen. Man ging rüstig ans Werk und stellte auf dem Zeigerheimer Berge die erste Bismarckfeuersäule bis zum 1. April dieses Jahres fertig. Sie erhielt die Gestalt einer kleinen Ritterburg, die aus einem Turm von 9½ m Höhe und 3½ m Stärke und einem 4 m hohen und 3 m langen Anbau besteht. Das Ganze ist massiv aus Kalkstein nach einem Plane des Architekten Schinzel errichtet. Die Plattform des Turmes ist aus Beton gewölbt, mit Zement ausgelegt und zur Aufnahme des Brennmaterials bestimmt. In dem Anbau befindet sich ein heizbarer Raum, der von den Mitgliedern des Vereins als Schutzhütte auf ihren Ausflügen benutzt werden soll. An der Nordseite des Turmes prangt auf Sandstein gemeißelt das Wappen des Fürsten Bismarck. Von den Zinnen der Burg bietet sich ein prachtvoller Ausblick. Nach Osten zu breitet sich das liebliche Saalethal, während im Westen die waldgekrönten Höhen der Schwarza das Landschaftsbild abschließen. – Am 1. April, dem Geburtstag des Altreichskanzlers, fand die Einweihungsfeierlichkeit des Bismarckturms statt. Da der Beton noch nicht erhärtet war, mußte man davon absehen, das Feuer auf der Plattform des Turmes anzuzünden. Dafür wurde vor dem Bau ein mächtiger Scheiterhaufen errichtet und mit Anbruch der Dunkelheit in Brand gesetzt. Himmelan loderten die Flammen empor und leuchteten weit in das Thüringer Land hinein. Die erhebende Feier bestand in Absingen patriotischer Lieder, Festreden und Deklamationen, schließlich wurde der Turm bengalisch beleuchtet und ein Feuerwerk abgebrannt. Von dem „Ausschuß der deutschen Studentenschaft“ traf ein Glückwunschtelegramm ein.

Maienzeit. (Zu dem Bilde S. 301 und unsrer Kunstbeilage.) Von der beglückenden Macht des Maien erzählen die beiden Bilder, deren malerischer Reiz durch Blütenzweige erhöht wird. Auf dem einen derselben sehen wir den Genius des schönsten der Frühlingsmonde auf seinem leichten Wagen daherfahren durch die Lüfte, mit hochgehobner Hand von seinem Blumenreichtum der Erde spendend, während vorn auf dem Rande des Wagens Gott Amor thront, jubelnd einen seiner Pfeile hinab auf die Erde abschießend, wo unter einem blühenden Zweige auf Wiesengrün ein junges Paar in Unterhaltung begriffen ist. Einen prächtigen, eben frisch gepflückten Strauß von Fliederzweigen trägt auf der Kunstbeilage ein Mädchen. Die liebliche Anmut desselben hat selbst etwas von der Zartheit des Dufts und der Farben des Flieders. Die Augen der Holden verkünden uns, daß auch in ihrem Herzen der Mai eine zartduftige Blumenwelt zum Erblühen gebracht hat, die Blüten der ersten Liebe.

Die Entdeckung des Aluminiums. Die Geschichte der Chemie lehrt uns, daß das Aluminium in freiem Zustande zuerst von dem Chemiker Wöhler hergestellt wurde. Er erhielt es im Jahre 1827 als graues Pulver und im Jahre 1845 in Form kleiner glänzender Metallkugeln. Seit 1854 wird das Metall nach verschiedenen Methoden technisch gewonnen. Es ist aber alles schon einmal dagewesen, und vermutlich war das Aluminium in reinem Zustande bereits im Altertum bekannt. Daran erinnerte neuerdings die „Centralzeitung für Optik und Mechanik“. Wie Plinius berichtet, erschien einmal im Palaste des römischen Kaisers Tiberius ein Metallarbeiter. Er bot dem Imperator einen Gegenstand als Metall an, das äußerlich wie Silber aussah, aber auffallend leicht war. Auf die Frage des Kaisers, wo dieses Metall zu finden sei, erwiderte der Arbeiter, daß er es aus thonhaltiger Erde gewinnen könne. Nun forschte Tiberius weiter, ob der Arbeiter seine Kunst schon anderen mitgeteilt habe. Der Gefragte gab zur Antwort, daß außer ihm nur Jupiter das Geheimnis kenne. Diese Erklärung besiegelte das Schicksal des Unglücklichen. Tiberius fürchtete, das neue Metall könnte den Wert des Goldes und des Silbers beeinträchtigen, und ließ die Werkstatt des römischen Aluminiumerzeugers zerstören und ihn selbst enthaupten. So blieb das Verfahren unbekannt. Es liegt nahe, daß jener Metallarbeiter ein einfacheres und wohl auch billigeres Mittel zur Herstellung des Aluminiums als die uns geläufigen chemischen Verfahren kannte. Ein Nachentdecken und Nacherfinden könnte somit noch heute einem findigen Manne Nutzen bringen; um seinen Kopf brauchte er in unserer Zeit nicht zu fürchten.

Abschied des Verlobten. (Zu dem Bilde S. 313.) An der kleinen Fischerhütte, unter den windzerzausten Bäumen, haben sie als Kinder gespielt und sich später verlobt, aber eine Wartezeit ist ihnen bis zur Hochzeit beschieden. Das haben nicht nur die Eltern so bestimmt, auch Kaiser und Reich forderten von dem jungen Manne ihr Recht. Einen Seemann von Beruf nimmt man gern zur kaiserlichen Marine, und Karl Morgensen soll nun seine Dienstzeit antreten. Es wird ihm schwer, von der treuen Trinka Abschied zu nehmen, aber er fügt sich gern ins Unvermeidliche: ihn lockt die weite Ferne, und in der Brust spürt er den Thatendrang. Der Seemann scheut nicht Sturm und Gefahr und Seemannstöchter verstehen in Treue zu warten. Haben die Väter und Mütter es anders gethan? Das ist für beide ein Trost im Trennungsweh, und die Eltern meinen, es sei alles gut gekommen. Junge Liebe soll ja geprüft werden.

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Das Möskefest in Rheinsberg. (Zu dem Bilde S. 317.) Seit alten Zeiten zogen am Sonntag vor Pfingsten die Kinder von Rheinsberg hinaus in den Wald, um Möske, d. h. Waldmeister, zu pflücken und das duftende Kraut zum Schmuck der Kirche zu verwenden. Im Jahre 1757 war am 6. Mai die Schlacht bei Prag geschlagen, an welchem Siege Prinz Heinrich, der Bruder Friedrichs des Großen, hervorragenden Anteil hatte. Als nun am 20. Mai die Siegesnachricht in Rheinsberg, der Residenz des Prinzen Heinrich, eintraf, wurde aus dem kirchlichen Fest ein patriotisch-militärisches gemacht, welches bis zum heutigen Tage besteht. Des Morgens wird von den Knaben Reveille geschlagen, am Vormittag sammelt sich die junge Schar, um zunächst auf dem Schloßhof von Rheinsberg dem Kaiser ein Hoch und weiterhin im Umzuge durch die Straßen den Honoratioren des Städtchens Huldigungen darzubringen. Das Ganze leitet ein „General“, der vom Rektor der Schule bestimmt wird. Alles trägt preußische Uniform oder wenigstens Teile derselben. Nachmittags geht’s zum eigentlichen Festplatz im Schloßpark, voran die Musik, dann die Generalität, die Truppen und zum Schluß auch die Mädchen in hellen Kleidern und blumengeschmückten Reifen, welche bogenförmig über dem Kopf getragen werden. Allerlei Spiele, Scheibenschießen mit Armbrust und Luftgewehr unterhalten die Jugend, an deren heiterem Treiben auch die zahlreich versammelten Eltern und Verwandten sowie die nach dem reizenden Rheinsberg in stattlicher Zahl gekommenen Gäste von auswärts ihre Freude haben. Unsere Abbildung zeigt den Zug, wie er gerade durch eine offene Halle im Parke, dem sogenannten „Salon“, zum Festplatz marschiert.

E. T.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0324.jpg&oldid=- (Version vom 4.10.2016)