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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Soldatengruß vorübergehenden Matrosen-Artilleristen, und dort jenseit der Düne gar ein deutsches Panzergeschwader – es signalisiert, wie ich vorhin gehört habe, allabendlich mit farbigen Lichtern nach der Insel – das alles hast du doch keineswegs bemerkt, ehe du über das große Wasser gingst?

Händler mit Seesternen und andere Raritäten.


Ist es nicht herzerhebend, daß von diesem Felsen, der früher als Stützpunkt zur Blockade von Elbe und Weser dienen konnte, jetzt deutsche Geschütze auf weiten Meilenumkreis das Meer feindesfrei zu halten vermögen?“

„Nun ja, im großen kann ich nichts gegen dich verrichten, drum fang’ ich es im kleinen an, mit Faust zu reden,“ meinte der Deutsch-Amerikaner nachdenklich. „Da sieh den halbwüchsigen Burschen, der den Badegästen Muscheln und Seesterne anpreist. Er wird von ihnen zweifellos dieselben hohen Preise fordern wie einst sein Geschäftsvorfahr von mir; nur mag beim Umrechnen des Hamburger Courants in Reichsmünze die übliche Abrundung nach oben stattgefunden haben, also zum Beispiel zwölf Schillinge gleich einer Reichsmark rund, das ist besser zu rechnen. ,Verdienen muß immer mit einem großen V geschrieben werden’, sagt der Hamburger, und diese hanseatische Lebensregel gilt auch in Helgoland jetzt wie dazumal. Das Bier – gut ist's! Aber vor acht Tagen trank ich es an der Quelle für 26 Pfennig das Liter, und hier kostet es ungefähr das Vierfache.“

„Jene 26 Pfennig sind ein Sonderrecht, um das der Bayer von ganz Deutschland beneidet wird. Auf dem Bier liegt hier eine hohe Verzehrungsabgabe, deren die Helgoländer Gemeindekasse nicht entraten kann, denn sie hat schwere Kriegskosten in ihrem steten Kampf mit dem Meere um die Erhaltung der Insel zu. tragen. Früher hingen Düne und Insel zusammen; 1720 schlug der ,blanke Hans’


Strandpromenade zwischen abgestürzten Felswänden.


den letzten sie noch verbindenden Steinwall fort. – Da sieh nur die mächtigen Balkengestänge der Uferschutzbauten dort zur Rechten – wie Schwefelhölzchen hat sie der Wogenprall geknickt und zerstückelt, als vor vier Jahren die große Sturmflut losbrauste, die auch einen so beträchtlichen Teil der Düne wegriß. Jahrelang wird der ,Dünendoktor’ daran zu flicken haben.“

„Was ist denn das für ein absonderlicher Badearzt?“

„Ein Bauunternehmer Hanken aus Oldenburg. Mit 560 000 Mark Kosten soll nunmehr ein Teil des verlorengegangenen Strandes dem Meere wieder abgewonnen werden. Ein Senkstück nach dem andern – so nennt man ein aus Faschinenwerk hergestelltes Floß – wird mit Steinen beschwert und in die Tiefe gelassen, um neuen Vorstrand zu schaffen. Die Erhaltung des Dünenbades ist Lebensfrage für die Helgoländer, denn hier an der Insel selbst, in der sogenannten Krebssuppe, badet man nur im Notfalle.“

Auf die Frage einer der Damen gab ich die Erklärung, daß als „Krebssuppe“ der die eigentliche Insel zunächst umgebende Wassergürtel bezeichnet wird. Die anscheinend rötliche Färbung rührt von dem vielen abgebröckelten Gestein her. Jahraus, jahrein verkleinern die Wellen der Nordsee das rote Triasgestein, bei ruhigem Wetter langsam nagend, zu Sturmeszeiten mit ungeheurer Gewalt ganze Blöcke losreißend. Namentlich die Westküste ist diesen Angriffen ausgesetzt und daher auch am meisten zerklüftet. Ein Gang um die Insel zur Ebbezeit, selbstverständlich nur in Begleitung eines erfahrenen Helgoländers und unter Beobachtung der höchsten Vorsicht, gewährt den deutlichsten Einblick in die Höhlen und Risse, die Einschnitte und Spalten, alle diese klaffenden Wunden, an denen im Lauf der Jahrhunderte der jetzt noch so lebenstrotzig standhaltende starre Felskörper dahinsiechen muß, bis er dereinst verschwunden sein wird im Wellengrabe ...

Schon am nächsten Tage zur Ebbezeit weilten wir zwischen den abgestürzten Felsblöcken am Weststrande. Reiche Ernte hielten das kunstbegabte Fräulein für ihr Skizzenbuch, der Deutsch-Amerikaner für seine neuangelegte Muschelsammlung, und den drohenden Gefahren durch die etwa von oben frisch losbröckelnden Massen entgingen wir glücklich. Auch ward uns nach dem Weiterwandern zur Ostseite eine besondere Augenweide, nur denen beschert, die schon im Mai und Juni Helgoland

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0207.jpg&oldid=- (Version vom 29.8.2017)