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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

der Hand, der Prälat Fugger mit der Orvietoflasche (bei Orvieto gedeiht im „Est Est Est“ der köstliche Wein, dem jener Zecher erlag) und der Bruder Karthäuser; zur Seite zwei Met zechende Germanen, zu Falstaffs Füßen Perkeo, der Zwerg; auf der anderen Seite Noah, ihm zu Füßen als Andeutung des Wunsches, daß jeder Trunk hier gut bekommen möge, ein jämmerlich ertrunkenes Kätzlein.

Der Eingang zum Keller.

Von den vielen Nebenbildern im Remter, sämtlich Fitgersche Schöpfungen, seien hier nur die Dichtergestalten nebst den unsterblichen Versen aus ihren Gesängen zum Preise des Weines und der Liebe hervorgehoben:

König David:

„Der Wem erfreut des Menschen Herz.“

Hafis:

„Laß, wenn die Rosen blühen, das Glas nicht aus der Hand.“

Anakreon mit Bathyllos:

„Wenn ich den Wein getrunken, verschwinden mir die Sorgen.“

Horaz mit Lalage:

„Genieße das Heute, wer weiß, was das Morgen dir bringt.“

Mathias Claudius:

„Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben.“

Das Selbstbildnis des Malers, das ihn als altdeutschen Würdenträger mit Pelzschaube und Ehrenkette, beim Glase eingeschlafen darstellt, führt die Umschrift:

„Wer niemals einen Rausch gehabt, der ist kein braber Mauu.“

Sieben Stufen führen zu der Remterlaube, einem Quergemache mit vier größeren Wandbildern Fitgers, deren eines unser Bild S. 860 skizziert: auf ihm wird ein Centaur, der eine Frau raubt, von Bauern und Hunden verfolgt; der köstliche Humor des Malers hat hier mit kühnem Anachronismus auch den pickelhaubengeschmückten Kopf eines Schutzmannes der Jetztzeit unter den Verfolgern auftauchen lassen.

„Von diesem Remter aus,“ so erklärte ich meinem Freunde, „führt eine Treppe nach dem Bürgerschaftsvorsaale. Es ist die dort mit dem Bronzestandbild einer rheinischen Hebe, einem Werke des Hamburger Bildhauers Carl Garbers, auf dem Treppenabsatz. Die löbliche Bürgerschaft ist unser Parlament, aus 160 Abgeordneten bestehend. Sie teilt mit dem Senat die höchste Herrschergewalt in Hamburg, das Kyrion, um das im Mittelalter so lange und oft blutige Kämpfe zwischen Geschlechtern und Volk geführt wurden, die erst mit dem Hauptreceß 1712 endeten. Der Bürgerschaft steht hinsichtlich des Ratskellers ein Vorrecht zu. Wenn sie dereinst in die Räume über uns, also im rechten Flügel des Rathauses, eingezogen sein wird und nach dem anstrengenden Redeturnei des Mittwochabends die Volksvertreter zur Stärkung den Keller aufsuchen, sollen sie den Remter zu ausschließlicher Verfügung haben. In gleicher Weise gedenkt auch der Senat bei besonderen Veranlassungen, wie Senatorenwahl etc., dem schönen Beispiel der Altvordern zu folgen. Dann begeben sich die Magnificenzen, nämlich die Bürgermeister, die Hochwohlweisheiten, das sind die rechtsgelehrten Ratsherren, und die Wohlweisheiten, das sind die kaufmännischen Senatsmitglieder, in den ‚Rosenkranz‘, das Schmuckkästlein dieser Räume, das dem Hohen Senat stets zu eigenem Gebrauch zur Verfügung steht. Doch in dies Allerheiligste wollen wir später treten: zunächst wollen wir uns in den größten der Räume, die Grundsteinhalle, begeben, die 487 Plätze enthält. Dabei sei gleich bemerkt, daß der Remter 78, die ,bunte Kuh‘ und der Schenkeraum 300, der ,Rosenkranz‘ 55 Plätze aufweisen, macht insgesamt 920!“

„Bewirtschaftet die Stadt den Keller selbst?“

„Nein, er ist verpachtet. Die guten alten Zeiten sind vorüber, zu denen die Stadtobrigkeiten eigene Keller anlegten, um das Bürgertum gegen den unlauteren Wettbewerb der bösen Weinschmierer zu schützen. Wohl aber hat die verpachtende Finanzdeputation durch strenge Vorschrift dafür gesorgt, daß hier stets ein guter echter Tropfen gegen billiges Entgelt zu haben sein wird. Für seine feinsten Sorten mag der Pächter fordern, was ihm beliebt, und er ist auch so frei, für eine Flasche 1886er Rüdesheimer Hinterhaus, Trockenbeerenauslese, bestes Faß der königlichen Domäne, 45, sage fünfundvierzig Mark deutscher Reichswährnng zu verlangen. Die stehende Redensart älterer Romane, daß im Wirtshause eine Flasche vom Besten bestellt wird, wäre hier nur mit Vorsicht anwendbar. Uebrigens enthält die Weinkarte 220 Flaschennnmmern, also Auswahl ist genügend da.“

In der Grundsteinhalle.

Mittlerweile wanderten wir treppauf treppab, je nach der verschiedenen Höhenlage der Kellerräume, zum Grundsteinkeller, der am tiefsten gelegen ist. Trotzdem, oder richtiger eben deshalb, ist dort die Luft am besten. Der geneigte Leser möge unter geeigneten Umständen den wohlmeinenden Rat befolgen, sich daselbst niederzulassen, denn in den meisten anderen Hallen ist die Lüftung noch entschieden der Verbesserung bedürftig. Wenn’s nicht hieran fehlte, so würde die Wahl des Platzes schwer, denn behaglich sitzt es sich überall, so in den vielen Eckchen und Abteilungen, wo jede Gesellschaft ihr gemütliches Reich für sich hat, wie unter den Bogenwölbungen der hohen Haupthallen, wo das Auge sich an dem Gesamtbilde der kraftvollen und reichen baulichen Gestaltung und an dem überall verschwenderisch ausgebreiteten malerischen und bildhauerischen Schmuck erfreut. Heutzutage aber, wie erwähnt, mundet der edle Rebensaft aus den mit dem Hamburger Wappen geschmückten feinen Gläsern wohl am besten in dem großen Grundsteinkeller.

Der Grundstein zum Rathause am Fuße des großen Mittelturms ist hier in umgitterter Zelle sichtbar. Er trägt den Weihespruch, mit dem vor zehn Jahren weiland Bürgermeister Dr. Petersen die ersten drei Hammerschläge begleitete:

„Mit Gottes Gunst durch Menschenhände
Kommt auch ein schwierig’ Werk zu Ende.“

Auf dem Stein ruhen Hammer und Kelle. – Das Mittelschiff endet mit einem mächtigen Steinkamin. Hier in diese entlegenste Ecke hat sich ein junges Paar zurückgezogen, das von der Hochzeitsreise auf den am Eingang zum Keller gekauften Postkarten mit Lichtdruckbildern den Lieben daheim Kunde giebt von seiner

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 862. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0862.jpg&oldid=- (Version vom 2.6.2023)